Nachdem wir noch die letzten Moldauklöster in der Bukowina besucht haben, geht es weiter in den Nordwesten zur letzten Etappe des Rumänien-Roadtrips: nach Maramures. Und während sich mein alter Golf auf den serpentinenreichen Straßen über die Berge der nördlichen Kaparten geradezu quält, ist die Fahrt für mich eines der absoluten Highlights der Reise. Denn die Bundesstraße 18 ist eine der schönsten Passstraßen Rumäniens.
Trivia: Passstraße mit drei s – Ein tolles Beispiel der neuen deutschen Rechtschreibung.
Von der Bukowina kommend ist die Straße in tadellosem Zustand. Glatter Asphalt und eine gelegentliche Überholspur sorgen für eine entspannte Fahrt durch dichte Wälder. Vor allem Buchen stehen hier dicht am Straßenrand, der Waldboden ist bedeckt von rotem Laub des vergangenen Winters. Ein herrlicher Anblick, wie man ihn in Deutschland nur noch selten zu Gesicht bekommt. Kein Wunder, denn übersetzt bedeutet der Name der historischen Region Bukowina soviel wie „Buchenland“.
Mit zunehmender Höhe erreichen wir die Grenze der Laubbäume. Fortan dominieren Nadelwälder sowie weite Wiesen das Bild auf dem Rest der Fahrt nach Ieud, dem Ziel der heutigen Fahrt.
Trivia: mit über 30% ist die Buche die dominierende Baumart in Rumänien. Davon könnten sich Deutschlands Monokulturen gern eine Scheibe abschneiden. Ein gesunder Mischwald würde auch das massenhafte Baumsterben eindämmen, welches sich vor allem im Harz derzeit beobachten lässt.
Das entspannte Fahrgefühl sollte mit dem Hinweisschild „Willkommen in Maramures“ ein abruptes Ende finden. Plötzlich sind die Straßen in einem katastrophalen Zustand. Brücken sind mitunter nur in einer Fahrtrichtung geöffnet, allerdings gleich ganz ohne Belag auf der Fahrbahn. Schlaglöcher soweit das Auge recht, eins tiefer als das andere.
Dank des Fahrsicherheitstraining beim ADAC vor wenigen Jahren beherrsche ich das Slalomfahren perfekt und kann somit schlimmeres für Mensch und Maschine verhindern. Wo bin ich hier gelandet?
Ich bin in Maramures, im Norden Rumäniens.
Und hier fallen mir direkt folgende Dinge ins Auge: Wälder, Berge sowie bewaldete Berge. Passend dazu steht auch mein Interesse an der Region im Zusammenhang mit Holz. Denn in den traditionellen kleinen Ortschaften der Maramures finden sich beeindruckende Holzkirchen als Zeugnisse der herausragenden rumänischer Handwerkskunst.
Holz ist eigentlich kein Baustoff, den man in der Regel mit imposanten Sakralbauten in Verbindung bringen würde. Zum einen unterliegt Holz im Vergleich zu etwa Marmor um die edle Wirkung. Der bedeutendste Grund liegt allerdings in der Brandgefahr, die hölzerne Bauten bieten. Ein Feuer in einer mittelalterlichen Stadt geriet schnell außer Kontrolle und konnte ganze Stadtteile verwüsten.
Doch den Bewohnern von Maramures war es durch die Ungarischen Herrscher untersagt, Kirchen aus Stein zu errichten, sodass sie auf Holz als Baustoff umsteigen mussten. Von den ehemals über 1000 dieser Kirchen, die größtenteils aus dem 17. Jahrhundert stammten, können Heute noch 60 besichtigt werden. Die UNESCO hat anerkannt, dass es sich hierbei um herausragende Beispiele rumänischer Sakralbauten handelt und acht von ihnen als Welterbe geschützt.
Was liegt wo
Die Holzkirche von Ieud
Am späten Nachmittag erreichen wir die Bergkirche von Ieud. Rumänisch-Orthodoxe Kirche hat ihren Namen aufgrund ihrer exponierten Lage auf dem Friedhofsberg des Dorfes. Sie wurde bereits um 1620 erbaut und ist damit eine der ältesten Holzkirchen mit aktiver Gemeinde in ganz Europa.
Das Innere der Kirche ist geschmückt von Wandmalereien, die zu den besterhaltenen des Landes zählen. Leider bleibt mir der Anblick verwehrt, da bei meiner Ankunft am späten Nachmittag das Kirchengebäude bereits geschlossen ist.
Doch auch das Außenareal ist spannend. Ein wilder Friedhof umringt das Gebäude. Es gibt lediglich einen Weg vom Eingangstor bis zur Kirche, aber zwischen den Gräbern selbst lassen sich keine Pfade erkennen. Anders als auf dem deutschen Friedhof von Sighișoara wirkt es, als würden die Gräber nicht von den angehörigen gepflegt und die Natur ergreift allmählich wieder Besitz über die aufwendigen Grabsteine.
Trivia: Nicht erst seit der TV-Sendunng „Bares für Rares“ ahnt man, welche Schätze häufig in Kellern oder auf Dachböden schlummern. So auch auf dem Boden der Kirche von Ieud, wo 1921 ein Dokument gefunden wurde, welches einen Verhaltenskodex der Kirche gegenüber beschreibt. Der sogenannte „Codicele de la Ieud“ gilt als eines der ältesten Schriftstücke in Rumänischer Sprache überhaupt.
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Das Kloster von Bârsana
Am nächsten Morgen geht es nach Bârsana, kaum eine Autostunde entfernt. Wahrscheinlich wäre man zu Fuß ähnlich schnell, die Straßenverhältnisse haben sich noch nicht sonderlich verbessert.
In Bârsana angekommen besuchen wir eine Klosteranlage, die als Hommage an die für Nordrumänien typische Bauweise zu sehen ist. Zwar wurde das Kloster bereits im 14. Jahrhundert urkundlich erwähnt, jedoch im Verlauf der Jahrhunderte verlassen und vollkommen zerstört.
Erst nach dem Fall der Sowjetunion wurde ein Projekt gestartet, den Komplex nach traditioneller Bauart neu zu errichten – aus Eichenholz und Flusssteinen. Entstanden ist so eine Ansammlung der schönsten Holzbauten des Landes und ein Pilgerort für viele Gläubige Rumänen.
Das Gelände betritt man durch einen imposanten Eingangsturm, den ich aus der Ferne schon fälschlicherweise für den Glockenturm der Kirche gehalten habe. Dahinter befindet sich die Neue Kirche, ein Alter, so wie ein Museum und Wohngebäude für die Nonnen, die das Kloster betreiben.
Die idyllische Atmosphäre wird vor allem durch den schön angelegten Park mit Blumenbeeten, Teichen und Obstbäumen aufgebaut.
Mit ihren 57m gehört die Kirche zu den höchsten Holzgebäuden Europas. Wie es für orthodoxe Kirchen üblich ist, sind auch hier die Wände vollständig mit Geschichten aus der Bibel bemalt. Falls der Rücken schmerzt sucht man hier allerdings vergeblich nach Abhilfe. Denn eine Bestuhlung gibt es in orthodoxen Kirchen nicht, der Gottesdienst wird im stehen abgehalten.
Trivia: etwas südlich von Bârsana steht die Kirche von Șurdești. Sie ist ebenfalls komplett aus Eichenholz und ohne Verwendung von Metallnägeln erbaut. Mit ihrem 72m hohen Turm ist sie die höchste Holzkirche der Welt.
Location: hier
Der fröhliche Friedhof von Săpânța
Von Bârsana geht es weiter in Richtung Westen nach Săpânţa. Hier gibt es einen ganz besonderen Friedhof, einen Friedhof, der scheinbar nicht zum Trauern ist. Menschen wandern von Grabstein zu Grabstein mit heiteren Gesichtern. Freunde tuscheln miteinander und hier und da ist ein Kirchen zu vernehmen. Das ist er, der fröhliche Friedhof von Săpânţa!
Der Grund dafür findet sich auf den Grabsteinen. Denn diese sind berühmt für die poetischen, häufig humoristischen Grabinschriften sowie handgemalten Bildern, die Szenen aus dem Leben der Verstorbenen darstellen.
Den Startschuss dafür gab ein lokaler Holzbauer im Jahre 1935, der dem Ableben geliebter Menscheneine fröhliche Widmung verleihen wollte. Denn im Glauben der lokalen Bevölkerung liegt im Tod auch Freude, nämlich die Vorfreude auf ein besseres Leben im Jenseits. So entstand ein einzigartiger Friedhof, der Heute ein großes Freilichtmuseum geworden ist.
Alle Inschriften sind auf Rumänisch, daher bleibt mir leider nur die Recherche im Internet, um den Inschriften auf die Spur zu kommen. Hier ein Beispiel vom Englischen Wikipedia Eintrag des Friedhofs:
Rumänisch
Sub această cruce grea
Zace biata soacră-mea
Trei zile de mai trăia
Zăceam eu și cetea ea.
Voi care treceți pă aici
Incercați să n-o treziți
Că acasă dacă vine
Iarăi cu gura pă mine
Da așa eu m-oi purta
Că-napoi n-a înturna
Stai aicea dragă soacră-mea
Deutsch
Unter diesem schweren Kreuz
Liegt meine arme Schwiegermutter
Drei tage hätte sie noch leben sollen
Ich würde lügen, und sie dies lesen.
Du, der hier vorbeigeht
Bitte wecke sie nicht auf
Denn falls sie zurückkehrt
wird sie mich weiter nerven
Aber ich werde mich benehmen
Sodass sie in ihrem Grab bleibt
Bleib hier, Schwiegermutter!
Die Sache mit der Schwiegermutter scheint also international anerkanntes Kulturgut zu
sein. Mit diesen Eindrücken endet unser kurzer Besuch in Maramures. Und auch der Roadtrip durch Rumänien neigt sich dem Ende, denn am folgenden Morgen begeben wir uns vom Grenzort Oradea aus auf den 1.300km langen Heimweg nach Braunschweig.
Spoiler Alarm: wir sind nach etwa 13h Fahrzeit gut daheim angekommen.
Location: hier
Na dann viel Spaß!
Wer historische Kirchen und Klöster mag, sollte auch den Nordosten des Landes bereisen. In der Region Bukowina gibt es eine Reihe an Gotteshäusern, die als Moldauklöster bei der UNESCO als Kulturerbe geführt werden.
Außerdem lassen sich in Siebenbürgen über 100 Kirchenburgen (oder auch Wehrkirchen) besichtigen. Die befestigten Kirchen dienten einst den Bewohnern als Schutz vor Angriffen, heute sind sie als lebendes Museum größtenteils noch als aktive Kirchen der siebenbürgischen Gemeinden in Benutzung.
Sieben von Ihnen zählen zum UNESCO Welterbe. Sie alle liegen nur maximal zwei Autostunden auf der Landstraße entfernt. Die fett gedruckten habe ich mir angeschaut:
- Biertan (Birthälm)
- Valea Viilor (Wurmloch)
- Viscri (Deutsch-Weißkirch)
- Pejmer (Tartlau)
- Saschiz (Kreisd)
- Dârjiu (Dersch)
- Câlnic (Kelling)
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Hanne
huhu, ich bin gerade durch zufall auf eure Seite gestoßen, sehr lustig da ich aus Wolfsburg komme! Wir fahren nächsten Monat auch in die Maramoures. Wir fahren am Samstag los und übernachten einmal in Brünn und dann weiter nach Timisoara und schlafen da 8 Tage und dann geht es über Maramoures, Bukowina, Transilvanien zurück nach Timisoara 🙂 und dann da nochmal paar Tage und dann ab nach Hause.