Bukarest – die schönsten Sehenswürdigkeiten zwischen Prunk und Verfall
Als wir nach Bukarest kommen, erschlägt mich zunächst die Größe – von allem. Ein Triumphbogen heißt uns in der Stadt willkommen. Um ihn herum führt ein komplexer Kreisverkehr – ähnlich dem, aus dem schon Chevy Chase bis zur Dämmerung keinen Ausweg mehr fand. Weiter geht es über eine zehnspurige Allee in Richtung Innenstadt, wo auch unser Hostel für Bukarest liegt.
Als wir unserem Hostel laut Google Maps näher kommen ist alles auf Konzentration gestellt: die Augen leicht zugekniffen, die Musik leise gedreht. Vergebens. Denn wir finden: nichts. Kurzerhand halten wir am Straßenrand und ich mache mich zu Fuß auf die Suche nach unserer Unterkunft. Ich finde zwar einen Eingang der den Bildern auf der Buchungsseite ähnlich sieht – doch von einem Hostel keine Spur. Nur ein verblasstes Klingelschild deutet auf das, was hier wohl einst war. Doch warum konnten wir es dann auf Hostelworld noch buchen inklusive geleisteter Anzahlung?
Kurzerhand googeln wir nach möglichen Unterkünften. Doch gebucht wird nicht mehr online – wir rufen vorher an um auf Nummer sicher zu gehen. Viele Angebote gibt es nicht mehr. Tatsächlich hat ein großer Teil der Inserierten Hostel mit guten Bewertungen seine Pforten bereits seit längerer Zeit geschlossen. Ob das wirklich nur an der Pandemie lag?
Wir werden aber dennoch fündig und machen uns auf den Weg in eine hervorragende Unterkunft nahe der Altstadt von Bukarest.
Was liegt wo?
Unterkunft
Gut & Günstig:
Bedsy Hostel (ehemals Mil Pasos)
Tolles Hostel am Rand der Altstadt in einem dieser grauen Blöcke, die so typisch für den Ballungsraum von Bukarest sind. Die Betreiber, ein Mexikaner und seine rumänische Frau, sind sehr liebenswert und hilfsbereit. Wir haben hier am Abend gerne mal den ein oder anderen selbstgebrannten Schnaps getrunken und Geschichten aus unseren Reiseleben ausgetauscht. Definitiv eine Empfehlung von Herzen!
Ca. 25€ / Nacht im Schlafsaal
Mittlerer Standard:
NF Palace Old City Bucharest
In der Altstadt von Bukarest gibt es einige alte Stadtvillen und Luxusanwesen, die einen neuen Zweck in der modernen Gesellschaft gefunden haben. Einige wurden zu Clubs, Restaurants oder eben zu Hotels. Das Hotel befindet sich in solch einem wundervollem Haus und ist definitiv ein Hingucker.
Aber am besten Oropax mitnehmen, da die Altstadt nachts häufig zur Partymeile wird.
Ca. 70€ / Nacht für ein Doppelzimmer ohne Frühstück.
Einfach mal gönnen:
Marmorosch Bucharest
Ebenfalls in einem prunkvollen Gebäude befindet sich dieses eher luxuriös ausgestattet Hotel. Habe selbst nicht hier übernachtet, aber die Bilder sprechen für sich.
Ab ca. 200€ / Nacht für ein Doppelzimmer inkl. Frühstück.
Das habe ich in Bukarest gemacht
Bukarest ist eine Stadt der Kontraste. Nur ein kurzer Spaziergang führt einen durch mehrere Epochen, verschiedene Ideale sowie wechselnden Wohlstand. Wurde Bukarest um das 19. Jahrhundert herum noch gern als Paris des Ostens bezeichnet, kann es heute an vielen Stellen der Innenstadt genauso als Kulisse für die Tristesse sozialistischer Seelenlosigkeit dienen.
Die Altstadt mit ihren vielen schönen, aber auch vielen heruntergekommenen historischen Bauten erstreckt sich zwischen dem Boulevard der Einheit im Süden bis Boulevard Dacia im Norden. Dabei findet man den großen Teil der schönen Sehenswürdigkeiten westlich der Nord-Süd Trasse. Östlich davon bietet die Stadt das graue, aber ebenso spannende, Kontrastprogramm.
Daher Teile ich meine Tour in den Prunk und den Verfall ein. Das ist zwar nicht 100% auf jeden Straßenzug der jeweiligen Stadtgebiete zutreffend – aber im Großen und Ganzen kann man sich hieran orientieren.
Der Prunk: die Altstadt westlich des Boulevard Ion C. Brătianu
Los geht meine Tour durch Rumäniens Hauptstadt mit dem Weg zum Parlamentspalast zu. Das ganze ist eine riesige Inszenierung des Größenwahn geschaffen durch Rumäniens ehemaligen Diktator Ceaușescu. Nach seinen Vorstellungen entstand in den späten 1980er Jahren eines der größten Gebäude der Welt. Nach dem Pentagon ist der Palast des Volkes, wie Ceaușescu ihn benannte, sogar das zweitgrößte Verwaltungsgebäude.
Und natürlich kann solch ein imposantes Gebäude nicht allein auf weiter Flur stehen. Daher wurde noch der 3km lange Boulevard der Einheit (Unirii) errichtet. Der Mittelstreifen ist mit Springbrunnen und allerlei Wasserspielen übersät – Nachts leuchtet es hier auch farbenfroh. Die Häuser zu beiden Seiten stellen die prunkvollen Superlative der damaligen Zeit dar.
Der gesamte Komplex wurde ohne Rücksicht auf Verluste errichtet. Für den Boulevard und den Palast ist ein großer Teil der Altstadt, nahezu ein Drittel, zwangsgeräumt und abgerissen worden – darunter auch mehrere historische Kirchen und Synagogen. Alles für den Fortschritt.
Die Kosten für den Bau werden auf über 3 Milliarden € geschätzt. Das machte damals etwa 40% des jährlichen Bruttosozialprodukts Rumäniens aus! Aus diesem Grund wird der Palast des Volkes gern auch als Palast des Sieges über das Volk bezeichnet.
„Eine monströse Metapher für maßlose Tyrannei“
-ein britischer Historiker
Location: hier
Und was hat man nach dem Ende der Diktatur aus dieser unverschämten Maßlosigkeit vorbei an den Bedürfnissen des Volkes gelernt? Richtig, absolut nichts. Und das beste Beispiel dafür steht beinahe sarkastisch sogar auf dem gleichen Grundstück am westlichen Ende des Parlamentspalastes.
Denn wonach dürstet es einem von Wirtschaftskrisen und Korruption geplagtes Volk am meisten? Ganz genau, eine Kathedrale muss her. Und zwar eine besonders Große. Mehr als 5.000 Gläubige werden hier Platz finden – das sind 1.000 mehr als im Kölner Dom.
Nun darf man nicht außer Acht lassen, dass Rumänien einen der europaweit größten Anteile gläubiger Christen hat. Dennoch ist das Projekt aufgrund des übertriebenen Protzes und der immensen Baukosten beim Volk Umstritten – vor allem, da der Staat die Finanzierung der Kathedrale zu 75% deckt.
Somit wird die Kathedrale der Erlösung des Volkes wohl zumindest finanziell noch eine Weile eher die Belastung des Volkes bleiben.
Location: hier
Weiter geht es für mich in das, was von der Altstadt übrig geblieben ist. Hier reihen sich eine Menge ehrwürdiger Gebäude in höchst unterschiedlichem Zustand aneinander. Denn viele Fassaden weisen erhebliche Schäden auf, die maßgeblich durch Erdbeben verursacht wurden, wie mir berichtet wird. Doch hinter den zerbrochenen Fensterscheiben weht häufig eine Gardine im Wind. Hier lebt noch also jemand.
Nichtsdestotrotz ist der historische Kern von Bukarest durchaus ansehnlich. Als erstes gehe ich in das Cărturești Carusel. Das Gebäude war ursprünglich Hauptsitz einer Bank und wurde erst vor wenigen Jahren aufwendig saniert und zu einer der schönsten Buchhandlungen umfunktioniert, die ich gesehen habe.
Der Laden erinnert mich stark an das El Ateneo in Buenos Aires. Dort wurde ein Theater zu einer Buchhandlung umgebaut – ebenfalls eine tolle Möglichkeit, den Charme des historischen Gebäudes weiter zu nutzen.
Location: hier
Die neue Kathedrale ist eigentlich das einzig wirklich große Gotteshaus von Bukarest. Das Bild der Altstadt zeigt ansonsten viele kleine Kirchen, Klöster und Synagogen. Ich finde die Wirkung der kleinen Gebäude in den Schluchten der angrenzenden Wohn- und Geschäftshäuser wirklich interessant.
Ein Bummel durch die Altstadt führt ansonsten vor allem entlang vieler Restaurants und Bars – und seit der Pandemie auch vieler verschlossener Türen. Die Straßen sind sehr belebt, tags wie nachts ist hier sehr viel los. Besonders beliebt ist auch das Restaurant Caru‘ cu Bere, wo es neben einer großen Auswahl rumänischer Biere vor allem auch viele traditionelle Gerichte auf der Karte gibt.
Der Blick durch die Barstraße gibt ein herrliches Bild auf das wohl ikonischste Gebäude der Stadt: das Verwaltungsgebäude der CEC Bank. Der Hauptsitz der ältesten Rumänischen Bank wurde 1864 errichtet und ist von all den alten Gebäuden Bukarests wohl im besten Zustand.
Location: hier
Ein paar Meter nördlich gelangt man in die überaus idyllische Passage Vilacrosse. Dank der getönten Scheiben unter dem Dach scheint ein warmes, goldenes Licht auf die Cafés und Restaurants der Passage.
Wer meint, hier den Baustil westeuropäischer Passagen wiederzukennen ist auf der richtigen Fährte. Denn in Auftrag gegeben wurde der Bau Ende des 19. Jahrhunderts durch einen Katalanen, dessen Nachnamen die Passage trägt.
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Mittig der Altstadt steht der Universitätsplatz. Hier finden traditionell die gewaltsam unterdrückten Proteste gegen korrupte Politiker statt. Hier steht mit der Rumänischen Kommerzbank die größte Bank Rumäniens, die nach dem Ende der Sowjetunion zur Finanzierung der neuen Privatwirtschaft gegründet wurde. Das bekannte Logo verdankt sie ihrem Mehrheitseigner: einer österreichischen Tochtergruppe der Sparkasse.
Als nächstes geht es der Siegesstraße (Calea Victoriei) rauf nach Norden. Eine der schönsten Straßen von Bukarest, die an den schönsten Monumenten und wichtigsten historischen Plätzen der Stadt entlang führt. Der Boulevard wurde in Gedenken an den Sieg zur Unabhängigkeit Rumäniens Ende des 19. Jahrhunderts errichtet. In einer Zeit, in der das pompöse Bukarest gern als Paris des Ostens bezeichnet wurde trug die Siegesstraße auch den Beinamen Champs Elysées.
Heutzutage hinkt der Vergleich leider, die Ehrwürdigkeit von Paris ist dank Misswirtschaft, Erdbeben und Kommunismus nur noch vereinzelt erkennbar.
Trivia: an Sonn- und Feiertagen wird die Siegesstraße vom Nachmittag an bis in die Nacht für Autos gesperrt. Aus Stau, Abgas und Verkehrslärm wird dann plötzlich eine große Fußgängerzone. Eiswagen werden aufgebaut, Kinder lernen Fahrradfahren und Straßenmusiker geben sich die Hand. Es wirkt beinahe wie auf einem Jahrmarkt. Man erkennt die Straße kaum wieder!
Einer der bedeutendsten Orte entlang der Siegesstraße ist der Platz der Revolution. Hier steht der ehemalige Hauptsitz der Kommunistischen Partei. Von dem kleinen, kaum hervorstechenden Balkon des Gebäudes hielt Ceaușescu seine letzte Rede, bevor die Revolution gegen Diktator und Kommunismus von hieraus seinen Lauf nahm.
Von Süden kommend winkt einem zunächst die Statue des Iuliu Maniu, einem der stärksten politischen Gegner der Machtübernahme durch den Kommunismus – er starb als Märtyrer im Gefängnis.
Ein paar Meter weiter steht eines der kuriosesten Skulpturen, die ich gesehen habe. Das Denkmal der Wiedergeburt soll eigentlich das blutende Herz der Rumänen als Mahnmal der Gefallenen durch die rumänische Revolution zeigen. Doch Kunst lässt ja bekanntlich Spielraum zur Interpretation und Kunst liegt im Auge des Betrachters. Die Skulptur, die eine aufgespießte elliptische Form zeigt, wird daher auch liebevoll „die Kartoffel der Revolution“ genannt.
Der Sitz der Kommunistischen Partei Rumäniens beherbergt Heute das Innenministerium. Spannend finde ich den Fuhrpark der Staatsbediensteten, den ich vor dem Gebäude antreffe. Alles voller Statussymbole für Politiker, die kein Statussymbol brauchen.
Location: hier
Schon wenige Meter weiter steht die Universitätsbibliothek mit einer der schönsten neoklassizistischen Fassaden der Stadt. Davor steht eine Reiterstatue von Karl I., dem ersten König von Rumänien.
Wer mehr über Karl I. erfahren möchte, fährt in die Stadt Sinaia nur einer Stunde nördlich von Bukarest. Hier steht seine Sommerresidenz das Schloss Peleș.
Mein Spaziergang auf der bunten Seite von Bukarest neigt sich auch schon dem Ende. Das letzte Gebäude auf meiner Tour ist das Athenäum Romanum. Das Gebäude stammt aus dem Ende des 19. Jahrhunderts und wurde schon vielfältig genutzt. Ursprünglich als Zirkus vorgesehen, war es zwischenzeitlich Sitz des Abgeordnetenhauses. Zyniker würden behaupten, das sei ja eh irgendwie das gleiche.
Heute spielt in dem schönen, ebenfalls im neoklassizistischen Stil errichteten Haus die Staatsphilharmonie – eine Nutzung, die dem edlen Gebäude auch gerecht wird.
Der Verfall: Betoncharme östlich des Boulevard Ion C. Brătianu
Der zweite Teil meiner Bukarest Tour führt auf die Seite rechts des großen Nord-Süd Boulevards und damit auch über meine virtuelle Grenze zwischen Prunk und Verfall.
Denn auch wenn das nicht vollends korrekt ist, ist diese Seite des Boulevards stärker von gesichtsloser Architektur durchdrungen. Doch auch das gehört zur Hauptstadt einer der ehemaligen Sowjetrepubliken. Auch das gehört zu Bukarest. Auch das gehört zu Rumänien.
Man muss auch gar nicht soweit vom Boulevard ostwärts laufen, um in eine ganz andere Welt einzutauchen. Die Fassaden sind grau. Schmutzig von den Abgasen der Autos und dem, was das Wetter so von oben herunterspült. Errichtet eben genau nach dem sozialistischen Vorbild.
Vor allem Bukarest hat auch Heute noch sehr mit den Nachwehen der Sowjetzeit zu kämpfen. Und es ist gerade der Kontrast, der die Stadt so interessant macht.
Das schöne an grauen, langweiligen Fassaden? Sie bieten Künstlern einen Ort zum Arbeiten. Daher findet man vor allem in diesem Teil von Bukarest viele Graffiti. Die meisten von Ihnen, die ich sehen konnte, befassen sich im weitesten Sinne mit der Verbundenheit zur Natur.
Bukarest ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Und auch wenn der westliche Teil der Altstadt die meisten der Sehenswürdigkeiten bietet, sollte man doch auf jeden Fall auf beiden Seiten spazieren gehen und die Stadt auf sich wirken lassen.
War noch was?
Während der Corona Pandemie waren Innenräume in Rumänien größtenteils Tabu – das gilt für alle Restaurants sowie viele Sportstätten. Die Leute vom Crossfit ROA in Bukarest haben daher ihr Studio kurzerhand in einen Garten etwas außerhalb der Stadt verlegt. Das Training findet im Schatten der Apfelbäume statt, die auch den ein oder anderen Snack für ausgelaugte Sportler bereithalten. Klasse Idee, es hat hier sehr viel Spaß gemacht.
Wer mal in Bukarest ist kann hier zu einem Drop-In vorbeikommen: CrossfitROA
Wer Lust auf traditionelle rumänische Küche hat, der schaut mal im Gasthaus Manuc vorbei. Dieses alte Karawanserei ist eines der schönsten Restaurants im alten Stil von Bukarest – daher steht es auch unter Denkmalschutz.
Ein Gericht, was man laut Locals unbedingt probieren muss, sind die Sarmale. Das ist im Prinzip eine Art Kohlroulade und schmeckt wie in Omas Küche. Herrlich!
Die Reise geht weiter
Nördlich von Bukarest liegt Kronstadt (Brasov), eine der wichtigsten Städte Siebenbürgens – heute besser bekannt als Transsilvanien. Von hieraus lässt sich die historische Region sehr gut erkunden.
Wer mit dem eigenen Auto unterwegs ist, sollte auf jeden Fall den Weg nach Siebenbürgen über den Pass entlang des Transfagarasan Highway nutzen. Nicht nur führt einen die Straße durch eine wunderschöne Landschaft bewunderter Berge mit der Chance auf die Sichtung von Braunbären. Denn die Fahrt selbst ist hier schon ein Highlight. Die kurvenreiche Straße gilt als größter Fahrspaß in Europa!
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Katja
Sehr schöner Bericht. Ich freue mich jetzt noch mehr auf meinen kleinen Kurztripp nächste Woche.
Peter
Hallo Katja,
ist zwar schon etwas her, aber ich hoffe mal, du hattest einen guten Trip? War es ein Städtetrip nach Bukarest oder hast du noch mehr in Rumänien erkundet?
Grüße
Peter
jens
Hallo, eine sehr interessante HP mit viel sehr guten Infos.
Bukarest war mein Abstecher von Bulgarien aus.
Der älteste Goldschatz der Welt wurde gefunden …
Info auf meiner HP. Grüße aus dem Schwarzwald Jens.
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