In Saudi-Arabien finden sich eine Vielzahl historischer Orte, die eindrucksvoll zeigen, wie das Leben hier vor hunderten Jahren ausgesehen haben mag. Vor allem in den Bergen im Süden des Landes haben viele dieser Siedlungen die Zeit überdauert und sind heute stiller Zeuge alter Traditionen.
Bereits auf der Fahrt durch die Provinzen Najran und Asir haben mich viele Dörfer mit ihrer charakteristischen Bauweise beeindruckt. Reine Lehmbauten mit Holzgerüst in Najran, die mit ihrem weißen Kantenschutz wie Lebkuchenhäuser wirken. Und natürlich das fantastische Rijal Almaa in Asir mit seinen schwarzen Steinhäusern und den bunten hölzernen Fensterläden.
Und nun auch weiter nördlich, in der Provinz Baha, erwartet mich ein weiteres Highlight: das sogenannte Marmordorf Thee-Ain.
Unterkunft
In Thee Ain selbst gibt es keine Übernachtungsmöglichkeiten. Doch nur eine halbe Autostunde bergauf liegt die Provinzhauptstadt Bahah. Hier gibt es jede Menge Optionen für Hotels und Restaurants. Außerdem liegt Baha auch direkt auf dem Weg nach Dschidda, meinem nächsten Stopp.
Gut & Günstig:
Lota Suites
Ca. 75€ pro Nacht für ein Apartment mit 2 Betten.
Mittlerer Standard:
Al Faleh Hotel
Gute Lage, wenn man eh nur auf der Durchfahrt ist. Sonst nichts besonderes.
100€ / Nacht für ein Doppelzimmer
Einfach mal gönnen:
Schöne Chalets mit grünem Garten und Simming Pool. Wer länger Unterwegs ist und von Baha aus langsam die Gegend erkunden möchte, wird den Komfort schätzen. Eigenes haus ab 250€ / Nacht.
Auf Erkundungstour in Thee-Ain
Die Fahrt auf der kurvenreichen Kind Fahd Straße durch das Gebirge südlich der Provinzhauptstadt Baha sorgt regelmäßig für tolle Aussichten auf karge Berge. Und auch wenn es mir richtig viel Spaß macht mit sagen wir mal leicht überhöhter Geschwindigkeit durch diese schöne Landschaft zu fahren, freue ich mich schon sehr auf das Ziel der Etappe: das Bergdorf Thee-Ain.
Und plötzlich sehe ich es. Auf der rechten Seite türmt sich ein Ensemble an Häusern auf, die aus im Kontrast leuchtend-hellen Steinen gebaut sind. Wir halten direkt an der Zufahrtsstraße an einem Aussichtspunkt. Von hier wirkt Thee-Ain beinahe wie eine Zitadelle, die vor einer herrlichen Bergkulisse thront.
Insgesamt besteht Thee-Ain aus etwa 60 Gebäuden, darunter auch eine Moschee. Allesamt sind aus schmal-gehauenen Steinen gebaut, Dächer und Decken sind aus Zedernholzbalken und Lehm. Um sowohl den kalten Temperaturen im Winter, als auch der Hitze des Sommers zu trotzen sind die Wände über einen halben Meter dick. Auch Fenster gibt es kaum und die wenigen sind recht klein und durch hölzerne Läden verschlossen.
Trivia: Thee-Ain ist auf einem weißen, glatten Fels gebaut, weshalb es auch „Marmor-Dorf“ genannt wird.
Das Dorf blickt auf über 400 Jahre Geschichte zurück und war besonders aufgrund seiner Landwirtschaft in der Region besonders wichtig. Denn so karg und unwirtlich die Berge von weitem auch wirken – hier gibt es viele natürliche Wasserquellen. Und auch Thee-Ain ist von dichter Vegetation umgeben – vor allem Bananenbäume und Dattelpalmen findet man hier viele.
Doch letztlich passierte hier das gleiche wie auch in den anderen traditionellen Siedlungen, die ich mir bereits in der Provinz Asir angeschaut hatte: Thee-Ain wurde von seinen Bewohnern zugunsten der modernen Städte in der Umgebung verlassen. Seit 1980 steht das Dorf vollkommen leer. Allerdings wurden hier bereits ab 2010 vom Staat Restaurierungen beauftragt, um das kulturelle Erbe zu schützen und Tourismus zu fördern.
Und das auch ziemlich erfolgreich. Es ist der erste Ort, an dem ich auch wirklich andere Touristen sehe. Vor allem im Eingangsbereich tummeln sich einige saudische Touristen. Die meisten sitzen und genießen den Blick ins Tal, über welches so langsam die Abenddämmerung einbricht.
Währenddessen nutzen wir die verbleibende Sonnenzeit, um den Ort zu erkunden. Und sobald wir über eine der Treppen die Hauptstraße verlassen, sind wir eigentlich auch bereits allein unterwegs. Und für einen Moment nehme ich keine Geräusche wahr, es gibt auch keine Bewegung in den Häusern, keine Werbetafeln – kurzum überhaupt kein Lebenszeichen. Thee-Ain wirkt auf eine gespenstische Art verlassen.
Und genau das gefällt mir richtig gut. Mein Indiana Jones Trieb erwacht und es macht einfach riesig Spaß das Dorf auf eigene Faust zu erkunden!
Wirklich abenteuerlich sind die Treppen, die an der Außenfassade in die oberen Etagen der Gebäude führen. Die Stufen sind extrem schmal, ein Geländer gibt es nicht. Nichts für jemanden mit europäischen Körpermaßen und tierischer Höhenangst. Aber die Neugier, was mich oben erwartet, überwiegt.
Also wage ich mich rauf, Schritt für Schritt. Es passen kaum beide Füße nebeneinander auf eine Stufe und ich muss mich auch leicht schräg drehen, um mich selbst nicht zu sehr von der Wand wegzudrücken. Dabei kann ich gleich versuchen, mit den Fingern in den Fugen Halt zu finden.
Irgendwie komme ich dann doch oben an und freue mich über dieses kleine Mikro-Abenteuer. Für den Rückweg suche ich mir dann aber doch einen anderen Weg über normale Treppen im Innenbereich des Hauses..
Im Haus fällt die Orientierung schwer. Es ist wirklich dunkel und die Räume sind sehr verwinkelt. Und irgendwie ist hier jedes Haus miteinander verbunden – über mehrere Ebenen. Immer wieder führen Treppen sowohl ganze, als auch halbe Etagen runter. Man weiß nie so wirklich wo man raus kommt. Und das ein oder andere Mal sind wir tatsächlich einfach wieder dort, wo wir losgelaufen sind.
Nach einer Weile schaffen wir es doch, das Labyrinth zu verlassen und sehen gerade noch, wie die Sonne hinter den Bergen auf der gegenüberliegenden Seite des Tals untergeht. Die Abendsonne hüllt die leeren Straßen von Thee-Ain in ein warm-goldenes Tuch.
Eckdaten
Location: hier
Was kostet mich das: kostenlos
Dauer des Besuchs: mind. 2h
Wann besuchen: 7h00-18h00 im Winter. Im Sommer vermutlich länger
Weiter geht’s: Ausflüge in der Umgebung
Wer weiter nach Süden fährt, kann anschließend die Region Asir erkunden. Hier gibt es die höchsten Berge von Saudi-Arabien, weite Landschaften aus Vulkangestein und Straßenränder, die von Pavianen beherrscht werden.
Und außerdem weitere dieser spannenden historischen Siedlungen mit völlig anderen charakteristischen Baustilen aus Stein, Lehm und Holz. Für mich war der schönste Ort hier Rijal Almaa in der Nähe der Hauptstadt Abha.
Unser Roadtrip führte uns weiter nach Norden. Wir verlassen das Gebirge und fahren in die Hafenstadt Jeddah. Die Stadt ist ein Sammelsurium an Superlativen.
Einerseits ganz offiziell: hier steht der höchste Fahnenmast der Welt, vom Corniche aus beobachtet man den Sonnenuntergang hinter der höchsten Wasserfontäne der Welt. Und da das noch nicht genug ist, entsteht im Norden der Stadt das höchste Gebäude der Welt (also vielleicht).
Andererseits auch ein Superlativ aus persönlicher Natur: die einzigartige Altstadt Al-Balad mit den hölzernen Balkonen – Roshan genannt – ist sicherlich einer der schönsten Orte, die ich je gesehen habe.