Jeddah (Dschidda) und die Korallenhäuser von Al Balad
Jeddah ist ein kulturelles und wirtschaftliches Zentrum von Saudi Arabien. Die Stadt blickt auf eine etwa 2.500 jährige Geschichte zurück, doch ihre Blühte begann mit dem Aufstreben des Islam ab dem frühen siebten Jahrhundert. Die noch junge Religion breitete sich im vorderen Orient sowie Nord- und Ostafrika rasant aus. Schon bald zog es Heerscharen an Menschen auf die heilige Pilgerfahrt Hajj nach Mekka. Für die vielen unter ihnen, die über den Seeweg von Afrika oder vom Indischen Ozean aus kommend anreisten, war Jeddah das Tor nach Mekka.
Doch auch für den Handel mit den zentralen Städten des Islam war Jeddah der wichtigste Handelshafen im frühen Mittelalter. Daher wuchs die Stadt rasant an und es ihre Infrastruktur musste immer weiter auf die stetig steigenden Bedürfnisse ausgebaut werden.
Mit der Eröffnung des Suezkanals 1869 gewann der Handel über das Rote Meer immer weiter an Bedeutung. Die Hafenstadt Jeddah konnte davon enorm profitieren und der Handel machte viele Familien sehr Reich.
Dank des Ölbooms ab dem frühen 20. Jahrhundert gehört das Königreich Saudi Arabien zu den wohlhabenderen Staaten der Welt. Jeddah ist als kulturelles Zentrum für die Machthaber von großer Bedeutung, daher hat man hier viel Wert auf den Ausbau der Stadt zu einem prunk- und eindrucksvollen Vorzeigeobjekt gelegt.
Heute kann Jeddah nicht nur mit einer der interessantesten Altstädte des Landes aufwarten. Auch moderne Gebäude führen die ein oder andere Rangliste im weltweiten Vergleich an.
Unterkunft
Im historischen Teil der Stadt Al Balad gibt es leider keine (adäquaten) Unterkünfte. Für mich war der nächst-beste Teil der Stadt nahe des Corniche und der Fontäne. Dieses Viertel ist etwas gehoben und hat dennoch viele gute und günstige Restaurants, vor allem die indische Küche ist hier gut vertreten.
Gut & Günstig:
Abela Alhamra Jeddah
Apartments für 2 Personen ab 75€ pro Nacht
Mittlerer Standard:
Blue Diamond Hotel
Tolle Lage nahe des Corniche mit vielen Cafés und Restaurants in der Nähe.
Ca. 110€ / Nacht für ein Doppelzimmer mit Frühstück
Einfach mal gönnen:
Ein Traum aus Tausendundeiner Nacht.. und Preise, die ebenfalls aus dem Märchen zu stammen scheinen 🙂
Was liegt wo
Und das kann man hier erleben
Die Altstadt Al Balad
Jeddahs Stadtbild hat sich über die Jahrhunderte immer wieder neu erfunden. Seit dem 16. Jahrhundert umgibt eine Mauer zum Schutz vor Angriffen verschiedener Mächte der Handelsmeere den Bereich der Innenstadt. Wer Geld und Möglichkeiten hatte, versuchte seit jeher, innerhalb dieser Mauern zu wohnen. Das blieb natürlich in erster Linie wohlhabenden Händlern und ihren Familien vorbehalten, die hier ihre Anwesen errichteten.
Die meisten Baudenkmäler, die Jeddahs Altstadt Al Balad heute so attraktiv machen, wurden im großen und ganzen zwischen dem 18. und 19. Jahrhunderts erbaut. Vor allem mit der Eröffnung des Suezkanals floss viel Geld in die Portemonnaies der Eliten der Stadt, wodurch es noch einmal zu einem Bauboom kam. Das Bauland im begehrten Zentrum war aufgrund der Stadtmauern rar. Man musste die Wohnhäuser also eher in die Höhe bauen. Viele der Häuser in der Altstadt sind bis zu sieben Stockwerke bzw. 30m hoch.
Eine Besonderheit ist auch das Baumaterial. Man hat sich hier vor allem an Korallengestein aus den flachen Gewässern des umliegenden Roten Meeres bedient. Zur Verstärkung wurden Gerüste aus Teakholz eingesetzt, welches vor allem aus Indien importiert wurde. Da das Korallengestein außerhalb des Wassers auf Dauer empfindlich gegenüber Trockenheit und Witterung ist, wird die Fassade mit einer schützenden Lehmschicht verputzt.
Ein ganz wesentliches Merkmal der Wohnhäuser von Jeddah sind die hölzernen Vorbauten an den Fassaden, die sogenannten Roshan. Diese balkonartigen Erker dienen in gewisser Hinsicht der Erweiterung des Wohnraumes über die eigentliche Grundfläche des Wohngebäudes hinaus. Im Islam ist die Privatsphäre eine mitunter recht heikle Angelegenheit. Dazu zählt zum Beispiel, dass Frauen nur in den eigenen vier Wänden ihre Kopfbedeckung abnehmen dürfen – solange es kein Außenstehender sehen kann.
Daher sind die Roshan auch nicht gänzlich offen gestaltet, sondern mit Holzgittern verkleidet. Dazu werden geschnitzte Holzstücke so miteinander kombiniert, dass sie geometrische Muster ergeben. In der Regel geschieht dies durch formschlüssige Verbindungen der Einzelstücke, sodass ganze Balkone komplett ohne den Einsatz von Nägeln oder Klebern kunstvoll verziert bzw. verkleidet werden können. Diese traditionelle Technik der islamischen Baukunst nennt man Maschrabiyya.
Die Holzgitter funktionieren dann wie eine Jalousie. Man kann zwar vom Wohngebäude aus prima nach draußen schauen und das Treiben auf den Straßen beobachten, ohne eben selbst beobachtet zu werden. Das erlaubt vor allem Frauen, sich hier auch ohne ihre in der Öffentlichkeit vorgeschriebene Verschleierung zu bewegen.
Jeddah liegt inmitten einer staubtrockenen Wüste, Das ganze Jahr über herrschen hier hohe Temperaturen, diese lagen im bereits im Januar während meiner Reise bei über 40°C.
Daher haben die Roshan noch eine weitere Funktion, sie klimatisieren das Wohngebäude. Durch die vielen Öffnungen in der Fassade dank der Holzgitter kommt es im gesamten Haus zu einer Art Kamineffekt, wodurch ein kontinuierlicher Luftstrom entsteht. Direkt hinter die Holzgitter hat man häufig Wasserbehälter gestellt, sodass die einströmende Luft direkt Feuchtigkeit aufnimmt und im Haus für ein angenehmes feucht-kühles Klima sorgt.
Trivia: In Jeddah gibt es kaum natürliche Vorkommen an Trinkwasser. Ganze 97% des Trinkwasserbedarfes wird durch energiefressende Entsalzungsanlagen aus Meerwasser gewonnen!
Saudi Arabien ist leider ein Land, welches ausgesprochen wenig Wert auf den Erhalt seines historischen, kulturellen und kurioser Weise sogar religiösen Erbe legt. Oder die Wahrung dessen zumindest völlig anders interpretiert, als ich es für richtig halten würde. Kurz gesagt werden alte Zöpfe hier einfach abgeschnitten und alles neu und „besser“ gebaut. Das ist hier auch kein neuer Trend, die Baudenkmäler des ganzen Landes leiden schon seit vielen Jahrzehnten darunter.
Auch Jeddah ist hier keine Ausnahme. Die historische Stadtmauer wurde in den 1950er Jahren abgerissen um Platz für breitere Straßen zu machen. Historische Moscheen der Altstadt wurden noch bis in die 1990er hinein zurückgebaut und durch neue, moderne Gebäude ersetzt. Nur einige Meter Mauer sowie zwei Stadttore und haben den Rückbau überlebt.
Mit der Modernisierung kam auch ein Wandel im Stadtbild. Denn die historischen Wohngebäude in Al Balad konnten den Ansprüchen der wohlhabenden Familien bald nicht mehr gerecht werden. Ein Umbau wäre zu aufwändig. Es ist doch viel einfacher, in neugegründeten Stadtvierteln außerhalb des ehemaligen Zentrums neue, große Stadtvillen zu bauen. Mit der Zeit zog es daher mehr und mehr Eliten aus dem historischen Al Balad heraus. Die alten Wohngebäude standen bald größtenteils leer und waren aufgrund mangelnder Sanierungen dem Verfall überlassen.
Die Bausubstanz verzeiht eine längere Periode ohne Fürsorge allerdings kaum. Ohne die schützende Lehmschicht splittert das Korallengestein. Das Holz der Roshan beginnt ohne frischen Anstrich dank der salzigen Meeresluft sich zu verziehen oder sogar zu verfaulen.
Viele der Häuser stehen auch heute noch leer. Teilweise wurden sie nur notdürftig von den Eigentümern saniert und an ärmere Migrantenfamilien vermietet. Die einstige prunkvolle Innenstadt der Eliten ist heute also eher ein Armenviertel.
Ein weiteres Problem ist auch der anhaltende Rückbau. Über viele Jahre wurden baufällige Häuser einfach abgerissen und durch moderne Bauten ersetzt. Kaum mehr ein Drittel der ehemalig ummauerten Altstadt hat diesen Transformationsprozess der letzten 100 Jahre überstanden. Aufgrund des Denkmalschutzes ist das zwar Heute nicht mehr so einfach möglich, dennoch wird vor allem durch Brandstiftung häufiger versucht, alte Gebäude aus dem Weg zu räumen.
Doch es gibt natürlich auch gutes zu Berichten. Im Rahmen der Tourismusstrategie hat die saudische Regierung die Bedeutung von Jeddahs Altstadt Al Balad ernst genommen und begonnen, einige der Gebäude aufwändig und so gut es eben geht originalgetreu zu restaurieren. Sicherlich ist über die Zeit ein stückweit das Knowhow für die feine Arbeit an den Maschrabiyyas verloren gegangen – einige der modernen Roshan wirken dann doch eher schlicht im Vergleich zu den originalen Gebäuden daneben. Dennoch scheint so die Zukunft von Al Balad ein stückweit gesichert.
Ich erlebe die Altstadt als lebhaftes Museum. Es macht einfach unglaublich viel Spaß, sich in dem labyrinthartigen Straßennetz auf der Suche nach immer schöneren Häusern zu verlieren. Einen wirklichen Plan braucht man für Al Balad nicht – ohne Orientierung hat man mehr vom Ort! Falls doch, habe ich hier ein paar Anhaltspunkte:
- Cooles Café mit Dachterrasse hier
- Historische Moschee hier
- Vermutlich schönstes Haus der Altstadt hier
- Platz der Kanone (zentraler Platz) hier
- Tor zu Mekka hier
- Museum in traditionellem Nassif Haus hier
Entlang der Route kann man immer wieder das geschäftige Treiben auf den Märkten beobachten oder auch jede Menge Köstlichkeit an den Straßenständen zu (ich sag nur Datteln!).
Eckdaten
Location: hier
Was kostet mich das: kostenlos
Dauer des Besuchs: Mindestens ein voller Tag
Wann besuchen: Zur Mittagszeit werden aufgrund der Hitze die meisten Geschäfte geschlossen. Früh morgens und ab dem späten Nachmittag wird bis in die Nacht hinein wieder alles geöffnet.
Jeddahs moderne Bauten der Superlative
Jeddah ist eine jener Städte in Saudi Arabien, die auch international Anklang finden soll. So finden hier immer wieder große Events oder Konzerte mit internationalen Künstlern statt. Ein Beispiel dafür ist der große Preis von Saudi Arabien der Formel 1, der durch einen Teil der Neustadt von Jeddah verläuft.
Aber auch bei protzigen Bauwerken möchte man hier Punkten. Als Stadt, die vor allem durch ihren Hafen reich geworden ist, darf ein großer Leuchtturm nicht fehlen. Es ist sogar der mit 131m höchste Leuchtturm der Welt. Leider haben wir es nicht geschafft, an der Hafenpolizei vorbei dorthin zu kommen. Wer sein Glück probieren will, findet das Gebäude hier.
Schon mehr Erfolg hatten wir beim höchsten Flaggenmast der Welt. Der Mast selbst misst 171m. Die gehisste Flagge hat eine Abmessung von ca. 50m x 33m und wiegt über eine halbe Tonne. Der Fahnenmast steht auf einem Kreisverkehr der Stadtautobahn genau hier.
Trivia: Tatsächlich wurde 2021 ein höher Flaggenmast in Ägyptens „neuer Hauptstadt“ errichtet mit 202m. Die ganze Stadt ist allerdings noch im Bau und nicht für Einwohner oder Besucher geöffnet. Daher ist der in Jeddah eigentlich schon noch der höchste öffentlich zugängliche Flaggenmast der Welt.
Auch der Flughafen setzt Maßstäbe. Jeddah ist auch bis Heute noch für viele das Tor nach Mekka auf ihrer Pilgerreise Hajj oder Umrah. Nur kommen sie Heute eben seltener mit dem Schiff, sondern eher mit dem Flugzeug an. Um den großen Andrang zu bestimmten Zeiten im Jahr bewältigen zu können, wurde ein übergroßer moderner Flughafen im Norden der Stadt errichtet. Das Hajj Terminal des Flughafens ist die größte zusammenhängend überdachte Fläche der Welt.
Die Uferpromenade Corniche ist einer der beliebtesten Treffpunkte für Saudis vor allem zu den kühleren Abendstunden. Pünktlich 18 Uhr startet dann auch täglich ein weiterer Superlativ. Die König Fahd Fountain ist mit bis zu 312m die höchste Wasserfontäne der Welt. Zu beobachten ist das am Besten von hier.
Im Norden der Stadt wird seit 2013 an einem neuen Hochhaus gearbeitet. Der Kingdom Tower sollte mit 1.007m das höchste Gebäude der Welt werden. Doch im Jahr 2018 wurde der Bau unterbrochen und bisher sind die Arbeiten nicht wieder aufgenommen worden. Die seither stillliegende Bauruine hat bis dato eine Höhe von 256m erreicht. Das Gebäude steht hier und man kann es auch gut von der Straße aus sehen.
Entworfen wurde das Gebäude vom gleichen Architekten, der auch am aktuell höchsten Gebäude der Welt, dem Burj Khalifa in Dubai, gearbeitet hat.
Trivia: Auftragnehmer für den Bau ist die Bin-Laden Group, die vom Vater des Terroristenanführers Osama bin Laden gegründet wurde.
Weiter geht’s: Ausflüge in die Umgebung
Wer weiter nach Süden fährt, sollte sich unbedingt das beeindruckende Bergdorf Thee-Ain nahe der Stadt Baha anschauen. Hier kann man eine leerstehende, ausgesprochen gut erhaltene Siedlung nach Belieben erkunden und sich wie Indiana Jones fühlen.
In Richtung Norden erreicht man nach wenigen Stunden Fahrzeit die vermutlich berühmteste Sehenswürdigkeit des Landes: die nabatäischen Felsengräber von Hegra bei Al Ula. Definitiv eines der Highlights auf jeder Saudi Arabien Reise.
Wer noch etwas mehr Zeit mitbringt, kann auf dem Weg nach Al Ula auch einen Abstecher in die zweitheiligste Stadt des Islam machen: nach Medina. Hierher floh der Prophet und Religionsgründer Mohammed und baute seine erste Moschee. Außerdem steht hier mit der Prophetenmoschee auch eines der größten Gotteshäuder der Welt mit Platz für etwa eine Million Gläubige. Innerhalb der Moschee befindet sich auch das Grab des Propheten. Auf jeden Fall ein lohnenswerter Ausflug, der auch für nicht-Moslems problemlos möglich ist.