Al Ula und die Felsengräber von Hegra (Madain Salih)
Hegra. Sucht man nach Sehenswürdigkeiten für eine Reise in Saudi Arabien, tauchen unter den ersten Ergebnissen immer wieder Bilder dieser sagenumwobenen Felsengräber auf. Auch für mich war Hegra einer der wichtigsten Gründe für eine Reise in das größte Land der Arabischen Halbinsel.
Doch zunächst einmal eine kleine Auflösung des möglicherweise Verwirrenden Titels. Hegra, Al-Ula und Mada’in Salih. Was ist hier eigentlich was?
Hegra ist der Name einer antiken Stadt. Sie wurde im ersten Jahrhundert v. Chr. vom legendären Volk der Nabatäer erbaut und war nach der Hauptstadt Petra im heutigen Jordanien die zweitgrößte und bedeutendste Stadt des Königreiches.
Mada’in Salih heißt eine kleine und moderne Ortschaft am Rande von Hegra. Der Ort selbst ist eigentlich kaum erwähnenswert – wird aber immer wieder als Synonym für die Felsengräber der Nabatäer in Saudi Arabien gennant.
Al-Ula ist eine fruchtbare Oase etwas südlich von Hegra. Hier ließen sich über die Jahrtausende hinweg immer wieder Menschen nieder, aus denen regional bedeutsame Königreiche wie die von Dadan oder Lihyan hervorgingen. Heute ist Al-Ula vor allem aber auch der Name der hier liegenden modernen Stadt, die von der Regierung als Musterbeispiel für den Tourismus in Saudi Arabien ausgebaut wird.
Meine Unterkunft: Flower-z
Günstige Unterkünfte sind in Saudi Arabien ja generell eine Seltenheit. In der Regel gibt es kaum etwas für weniger als 60€/Nacht und man erhält dafür eigentlich nur karge, lieblos eingerichtete Übernachtungsmöglichkeiten.
Al Ula ist sogar noch etwas teurer und spricht eher Resorttouristen an, die gewillt sind, weit über 100€/Nacht zu bezahlen. Flower-z gehört zu den günstigsten Alternativen. Es ist ein modernes Gasthaus mit großen Zimmern, alles ist neu und sauber. Ansonsten nichts besonderes.
Kosten: 100 USD/Nacht im Doppelzimmer ohne Frühstück
Was liegt wo
Und das kann man hier erleben
Die Felsengräber von Hegra
Die Nabatäer waren ein Handelsvolk auf der Arabischen Halbinsel, dessen Blütezeit zwischen dem dritten Jahrhundert v. Chr. und dem ersten Jahrhundert n. Chr. lag. Ihr Zentrum war das Weltberühmte Petra im heutigen Jordanien – welches als eines der neuen sieben Weltwunder aufgeführt wird.
Der Reichtum des Königreiches beruhte auf dem Handel mit Gewürzen, vor allem aber auch spirituell genutzte Harze wie Weihrauch und Myrrhe, die vom Orient in den Mediterranen Raum geliefert wurden. Die damalige Handelsstraße entlang der Süd- und Westküste der Arabischen Halbinsel ist daher auch als Weihrauchstraße bekannt. Sozusagen das orientalische Äquivalent zur fernöstlichen Seidenstraße.
Mit der Expansion der Nabatäer gen Süden wurde nahe der Oase A-Ula eine neue Stadt gegründet: Hegra. Diese wuchs dank ihrer Lage auf einem Knotenpunkt strategisch wichtiger Karawanenrouten schnell zu einer großen Handelsmetropole an und war ab dem ersten Jahrhundert v. Chr. neben der Hauptstadt Petra die zweitgrößte Stadt im Königreich eines der bedeutendsten Handelsvölker im Nahen Osten der Antike.
Hegra liegt auf einer Wüstenebene am Rande des Ithlib Gebirges und bietet daher völlig andere natürliche Voraussetzungen als die in einer Schlucht errichtete Hauptstadt Petra.
Ab dem ersten Jahrhundert n. Chr. weiteten die Römer ihre Einflusszone auch in diesen Teil der Welt aus. Wichtige Handelsrouten fielen nun in römische Hand und in diesem Zuge wurden auch die Städte der Nabatäer eingenommen. Damit wurde auch das Ende dieser Kultur eingeläutet, die schon sehr kurze Zeit später von der Bildfläche verschwand.
Denn die Römer verfügten über gute Kenntnisse im Schiffsbau und verlegten wichtige Teile des Gewürzhandels von der Arabischen Halbinsel auf den Seeweg durch das Rote Meer. Dadurch konnten Waren deutlich schneller, aber auch sicherer transportiert werden. Ehemals bedeutsame Handelsposten verloren dadurch ihre Einnahmequellen und auch Hegra wurde schon bald verlassen.
Von den Strukturen der Stadt Hegra selbst gibt es Heute kaum Überreste, lediglich einige künstlich angelegte Wasserquellen haben die Zeit überdauert. Entgegen gängiger Annahmen sind die eindrucksvollen, in den Fels gehauenen Bauten nämlich keine Wohngebäude – sondern Gräber.
In der Regel haben sich hier bereits zu Lebzeiten Einzelpersonen und Familien Grabmäler errichten lassen. Eine Motivation spielte dabei wohl auch die Zurschaustellung des eigenen sozialen Status – am besten über die Lage des Grabes und den Aufwand seiner Verzierungen.
Insgesamt gibt es in Hegra über 100 solcher Felsengräber. Bis auf eines sind immer mehrere Gräber in einen Fels gearbeitet worden. Doch das größte Grab Qasr Al-Farid wurde in einen alleinstehenden Felsen gehauen. Und das ikonische Bauwerk ist nicht nur deshalb eine Besonderheit der antiken Ruinenstätte. Es ist nämlich auch das einzige, dessen Bau nicht vollständig abgeschlossen wurde. Zwar ist der obere Bereich bereits fein aus dem Felsen gearbeitet worden und man erkennt die symmetrischen Dekorelemente.
Doch der untere Teil wirkt platt und nur grob zur Vorbereitung in Form gehauen. Es fehlen gänzlich scharfe Konturen und Verzierungen, wie bei den anderen Gräbern. Hieran konnte festgestellt werden, dass die Nabatäer ihre Felsengräber also von oben nach unten errichtet haben.
Die Nabatäer erarbeiteten ihren Wohlstand durch den Handel mit verschiedensten Kulturen. Der Handel brachte auch einen Austauschen der Ideologien und Religionen mit sich. Die Nabatäer adaptierten viele Ideen ihrer Handelspartner – sicherlich auch, da eine gewisse kulturelle Vielfalt hilft, damit sich verbündete Völker besser mit ihnen identifizieren konnten. Ein Erfolgsrezept, welches man z.B. auch aus Hatra, einer Metropole des Partherreiches kennt.
Daher lassen sich noch Heute an vielen Felsengräbern Dekorationselemente finden, die sich den großen Kulturen des Mittelmeerraumes zuordnen lassen. Dazu gehören etwa der römische Adler, die griechische Medusa oder der geflügelte Löwe aus Ägypten.
Die Stadt Hegra war lange Zeit verlassen und vergessen. Erst mit dem Aufkommen des Islam in der Region wurden kam ihr eine neue Bedeutung zu. Pilger kreuzten während ihrer langen und beschwerlichen Reise nach Mekka während der Hajj durch Hegra. In den Felsengräbern fanden sie Schutz, in den alten Brunnenanlagen Wasser.
Doch mehr konnte man dem Ort lange Zeit nicht abgewinnen, da Hegra unter den strenggläubigen Muslimen als Verflucht gilt. Im Quran wird erwähnt, wie Allah die Bewohner der Stadt wegen ihrer Anbetung von Götzen bestraft. Auch Heute noch ist diese Furcht in vielen Köpfen tief verwurzelt. Das ist vor allem für die Regierung ein riesiges Problem, da sie Hegra zu einem der wichtigsten touristischen Ziele des Landes ausbauen möchte.
Zwar jagt mir der Aberglaube keine Angst ein. Allerdings leidet Hegra aus meiner Sicht an einem anderen Fluch. Über lange Zeit war die antike Stätte ein offenes und frei zugängliches Gelände. Anwohner und Touristen konnten die Felsengräber frei erkunden und sogar in der Wüste unter freiem Himmel Grillen und Campen. Klingt nach einem Traum!
Leider litt die Stätte daraufhin an Vandalismus. Antike Schriften wurden mit Graffiti übersprüht und Dekorationen beschädigt. Daraufhin wurde das Gelände für viele Jahre gesperrt und erst 2021 mit einem neuen Konzept wiedereröffnet. Das bedeutet leider, dass um das Areal ein großer Zaun und zwischen ausgewählten Gräbern eine Straße errichtet wurde.
Ein Besuch ist nur noch im Rahmen einer geführten Tour zu festen Zeiten möglich. Und leider bietet die Tour keine besonders wertvolle Informationen. Und schlimmer noch, ich fühlte mich insbesondere zeitlich stark eingeschränkt und konnte mir nicht die nötige Ruhe gönnen, den Ort auf mich wirken zu lassen.
Natürlich ist auch mir der Schutz der Anlage vor Vandalismus sehr wichtig. Doch leider schießt dieses Konzept über das Ziel hinaus und lässt mich nach dem Besuch etwas wehmütig zurück.
Dennoch! Hegra ist ein absolutes Muss auf jeder Saudi Arabien Reise und definitiv einer der beeindruckendsten Orte, die ich je besucht habe. Da der Ort lange Verlassen war und es aufgrund der Lage in einem trockenen Gebiet kaum zu wetterbedingten Erosionen kam, sind die Felsengräber in einem fantastischen Zustand. Und zu Recht wurde Hegra das allererste UNESCO Weltkulturerbe Saudi Arabiens.
Eckdaten
Location: hier
Was kostet mich das: 95 SAR (ca. 27€)
Dauer des Besuchs: die Tour vor Ort dauert ca. 2h, mit An- und Abreise ab Treffpunkt am Winterpark sollte man 3h einplanen.
Wann besuchen: Plätze gibt es täglich zwischen 8h00 und 18h00
Wo buchen: auf der Webseite von Experience Al Ula
Der Elephant Rock (Jabal Al-Fil)
Der Elephant Rock ist – wenig überraschend – ein großer Fels, dessen Form an einen Elefanten mit Rüssel erinnert. Auf jeden Fall ein sehr cooler Anblick. Direkt um den Fels herum liegt ein Café mit super gemütlichen Sitzecken und einer absoluten Seltenheit in Saudi Arabien: gutem, schwarzen Kaffee. Nach einem langen und anstrengenden Tag in der Wüste wirklich ein fantastischer Platz, um den Sonnenuntergang zu genießen und eventuell sogar zu warten, bis sich ein Sternenhimmel über die Wüste legt.
Eckdaten
Location: hier
Was kostet mich das: Bisher kostenlos, Gerüchten zufolge bald mit Eintrittsgeld
Dauer des Besuchs: am besten den ganzen Abend im Café
Wann besuchen: Den Felsen kann man zwar von weitem jederzeit anschauen. Das Gelände direkt dran gehört allerdings zum Café und kann nur während der Öffnungszeiten besucht werden. Täglich von 16h00 – 23h00.
Wer schon mal am Elephant Rock ist, sollte ruhig auch etwas Zeit einplanen, die Umgebung zu erkunden. Das landschaftliche Wechselspiel aus Sandwüste und den schroffen Felsen mit spektakulären Formationen ist einfach wahnsinnig beeindruckend. Direkt vor Ort lassen sich auch geführte Touren mit dem Quad oder Kamel buchen.
Oder man erkundet die Gegend wie wir einfach zu Fuß. Nicht weit vom Elephant Rock liegt ein Fels mit einer Öffnung, welches an ein Nadelöhr erinnert. Auf jeden Fall ein guter Spot für Fotos.
Location: hier
Harrt Viewpoint: Al Ula von oben
Eine halbe Autostunde vom Stadtzentrum entfernt gibt es einen schönen Aussichtspunkt auf einem der Felsplateaus. Von hieraus hat man einen grandiosen Blick in alle Richtungen und kann erkennen, wie die Oasenstadt mit ihren grünen Wäldern aus Dattelpalmen sich zwischen die kargen Felsen quetscht.
Außerdem gibt es hier eine Bar mit Lounge Musik und mehreren Sitzbereichen, um von hier oben den Sonnenuntergang über Al Ula zu beobachten und entspannt in den Abend zu starten. Auf jeden ein lohnenswerter Abstecher. Schon die Fahrt den Berg hinauf entlang der serpentinenreichen Straße macht sehr viel Spaß und verspricht ständig gute Ausblicke.
Aber Vorsicht: man ist nicht alleine auf der Straße. Kamele ziehen frei über das Plateau und sind keine sehr rücksichtsvollen Verkehrsteilnehmer. Wir waren zweimal an diesem Aussichtspunkt – einmal tagsüber und einmal am Abend – und mussten beide Male Wüstenschiffe auf der Straße umfahren
Trivia: das Gegenteil von umfahren ist umfahren.
War noch was?
Al Ula ist eigentlich eine unheimlich spannende Stadt mit vielen Möglichkeiten, sich auf eine Reise in die Welt vergangener Zivilisationen zu begeben. Die nabatäische Stadt Hegra, die Felsenhäuser von Dadan, Petroglyphen aus noch älteren Zeiten. Der Staat Saudi Arabien hat dieses Potential erkannt und baut die Stadt zum Musterbeispiel des neuen Tourismuskonzeptes aus.
Leider ist dieses Konzept nicht sehr freundlich gegenüber Individualreisenden. Denn einfach alles muss als Tour organisiert werden! Keine der Attraktionen ist ohne Terminbuchung, ohne Eintrittspreis möglich. Nicht einmal in der historischen Altstadt von Al Ula kann man sich frei bewegen. Für mich passt dieses Konzept leider gar nicht in meine Vorstellung von Tourismus und ich hoffe, dass sich parallel dazu auch noch nachhaltige Möglichkeiten für Reisende wie mich bieten werden.
Nichtsdestotrotz gehört Al Ula natürlich auf jede Saudi Arabien Reise und die fehlende Flexibilität ist einfach eine Kröte, die man schlucken muss. Es lohnt sich aber auf jeden Fall!
Eine Übersicht über alle Touren und Buchungen gibt es auf der Webseite von Experience Al Ula.
Weiter geht’s: Ausflüge in die Umgebung
In Richtung Süden liegt and er Küste des Roten Meeres die Hafenstadt Jeddah. Für mich war der Besuch von Jeddahs einzigartiger Altstadt Al Balad eine der eindrucksvollsten Erlebnisse auf meine Reise durch Saudi Arabien.
Wer einen längeren Fahrtag nicht scheut, kann auf dem Weg von Jeddah nach Al Ula noch in die zweitheiligste Stadt des Islam fahren und in Medina auf den Spuren des Propheten Mohammad wandern.
Weiter im Norden liegt die Provinz Tabuk, die man schon aufgrund der atemberaubenden Landschaft von Wadi Disah auf jeden Fall besuchen sollte. Außerdem kann man hier auch eine weitere Totenstadt der Nabatäer besuchen, am Rande der biblischen Siedlung Midian bei Al Bad