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Würde es ein Siegetreppchen für touristische Hochburgen im Iran geben, läge die Wüstenstadt Yazd auf Platz drei. Die meisten Reisebusse voll grauhaariger europäischer Rentner fahren in erster Linie die beiden bekanntesten Städte an: Isfahan mit den wahrscheinlich schönsten Bauwerken der vergangenen Jahrhunderte persischer Hochkultur. Der nächste und häufig schon letzte Halt ist Shiraz, welches den Reisenden noch mal um einige Jahrhunderte weiter zurück in die Zeit Alexanders des Großen versetzt mit den Ruinen der antiken Hauptstadt Persepolis und den Grabmälern der persischen Könige in Naqsh-e-Rostam.

Und wer dann noch ganz viel Zeit hat, der setzt sich noch mal einige Stunden in einen klimatisierten Reisebus und fährt nach Yazd. Doch warum eigentlich? Und lohnt der Umweg in diese von Wüsten umzingelte Stadt mitten im Nirgendwo?

Über den Dächern von Yazd: Windtürme und Dome der Moscheen

Die Antwort lautet ganz klar: ja, ja und nochmals ja. Denn Yazd ist eine kleine Welt für sich. Eine alte Welt mit einem historischen Stadtbild voller verwinkelter Gassen, versteckter Innenhöfe und vor allem einem beeindruckenden Ensemble aus Windtürmen, welches direkt aus dem fiktiven Star Wars Planeten Tatooine stammen könnte.

Denn trotz der widrigen Umstände umgeben von nichts als Hitze und Trockenheit hat es Yazd zu einer großen und bedeutenden Metropole im Iran geschafft. Oder vielmehr: aufgrund genau dieser Umstände. Denn Raubzüge früher konnten kaum auf den Komfort klimatisierter Fahrzeuge zurückgreifen. Die Stadt war schwer zu erreichen und unmöglich zu belagern. Somit blieb Yazd über viele Jahre eine Handelsoase, die weitgehend von Überfällen und gewaltsamen Konflikten verschont blieb. Auch die UNESCO trägt zum Erhalt der Altstadt bei und erklärte sie 2017 zum Weltkulturerbe.

In den Straßen von Yazd

Was liegt wo

Meine Unterkunft: Fazeli Hotel

Der wunderbare Innenhof des Hotels. Neben dem Pool gibt es Frühstück
Der Innenhof des Fazeli Hotels

Nachdem ich auf meiner letzten Station durch die Lut-Wüste nicht gerade mit viel Komfort begrüßt wurde, wollte ich mir mal wieder etwas gönnen. Also habe ich mir ein eigenes Zimmer in diesem sehr zentral gelegenen Boutique Hotel gegönnt. Für nur 20€ pro Nacht inklusive Frühstück ein absolutes Schnäppchen.

Das historische Haus selbst ist wunderschön und bietet zudem noch eine eigene Dachterrasse mit Café zum entspannen, lesen und vor allem: Fußball gucken. Denn ich bin während der Weltmeisterschaft 2018 im Iran. Dafür wurde extra ein Fernseher aufgebaut um das Finale des Turniers bei dieser herrlichen Aussicht im Iran zu schauen. Ganz ohne Bier natürlich, dafür aber mit hervorragender Stimmung unter den französischen Backpackern und einem 4:2 Sieg für Frankreich.

Für das WM Finale wird extra ein TV aufgebaut

Und das habe ich in Yazd gemacht

Verloren in der Altstadt

der Amir Charkhmaq Komplex

Die Altstadt von Yazd ist ein wahres Labyrinth aus schmalen Gassen, in denen man sich gerne verirrt. Die Wege sind bewusst verwinkelt und eng gebaut, sodass möglichst wenig Sonne auf die bewohnbare Oberfläche trifft. Wie praktisch. Daher ist es schon wirklich spannend, einfach nur planlos umher zu laufen und zu schauen, wo man so landet.

„Ohne Orientierung hat man mehr vom Ort“

-unbekannt

Yazd Sehenswürdigkeiten
In den Straßen von Yazd

Hin und wieder komme ich auch an fleißigen Betrieben vorbei. Ein großer Teil davon verkauft Zucker – einfach nur Zucker, der an einem Strick „gewachsen“ ist. Naja wer einen guten Zahnarzt hat, kann ja gerne mal zuschlagen. Ansonsten finde ich vor allem die Bäckereien spannend, die das im Iran obligatorische Fladenbrot backen. Dazu wird nämlich ein Klumpen Teig schmal ausgerollt und direkt auf die heiße Innenwand des Holzofens geklebt.

In der Fladenbäckerei..

Eines der schönsten Gebäude der Stadt ist die Freitagsmoschee. Sie wurde im 12. Jahrhundert gebaut und ist seither dauerhaft in Benutzung. Sie gilt als herausragendes Beispiel persischer Baukunst – und man darf herausragend hier gern buchstäblich verstehen. Denn das markanteste Merkmal der Moschee ist das leuchtend-blaue Eingangsportal wird von zwei großen Minaretten flankiert. Diese sind mit ihren 52m die höchsten des Iran!

Die Freitagsmoschee von Yazd

Trivia: Um das Gebäude zu ehren ziert es die 200 Rial Banknote. Doch die Inflation im Iran ist stark und zum Zeitpunkt meiner Reise habe ich ca. 100.000 Rial pro Euro eingetauscht. Daher hielt ich eine solch kleine Note nie in meinen Händen..

Das wirklich besondere an Yazd ist aber seine einzigartige Skyline, die sich aus den vielen Windtürmen und türkisen Kuppeln der Sakralbauten zusammensetzt. Daher ist es unerlässlich eines der vielen Cafés mit Dachterrasse aufzusuchen, um dort nach einem langen Spaziergang durch die Stadt seine Kräfte bei Kaffee und Kuchen wieder aufzufüllen.

Mir hat besonders das Art Café gefallen. Der Eingang befindet sich in einer kleinen Nische eines Bazars und ist etwas schwer zu finden – doch die Suche lohnt sich. Denn der Ausblick ist wirklich atemberaubend. Ich würde sogar behaupten, es ist der schönste Blick der ganzen Stadt.

Ausblick auf Yazd vom Art Café

Neben allerhand Leckereien gibt es aber auch eine kleine Ausstellung für Porzellan von lokalen Künstlern. Wer noch Platz im Koffer hat, kann hier natürlich gern zuschlagen und das Handwerk in Yazd unterstützen. Mein Backpack ist allerdings bis zum Rand gefüllt, daher nehme ich nur ein paar Fotos als Souvenir mit.

Porzellan und Scherben im Art Café

Die Türme des Schweigens

Die Türme des Schweigens in Yazd

Um es vorweg zu nehmen: Nein, hierbei handelt es sich nicht um die persische Ausgabe von Katia Saalfranks stiller Treppe. Wenn auch die tatsächliche Nutzung dieses Komplexes aus moderner Sicht ähnlich düster erscheint.

Vor allem in der Region rund um Yazd war der Zoroastrismus die vorherrschende Religion. Warum war? Offiziell sind natürlich mittlerweile alle Iraner Muslime. Für die Zoroastrier waren die Elemente Luft, Wasser, Feuer und Erde so heilig, dass kein totes Fleisch diese verunreinigen sollte. Daher wurden die Leichname auf den Hügeln außerhalb der Stadt den Raubvögeln quasi auf einem Silbertablett zum Fraß präsentiert. Übrig blieben dann häufig nur Knochenfragmente, die sich mitunter wohl auch heute noch im Sand finden lassen. Diese Gebäude nennt man Türme des Schweigens oder auch Dachmas.

Ausblick von den Türmen des Schweigens

Trivia: vor der Islamisierung des mittleren Ostens war der Zoroastrismus die vorherrschende Religion in Iran, Afghanistan und teilen Westindiens. Heute sind die wenigen Hunderttausend Gläubigen in der Welt aufgrund von Unterdrückung und Verfolgung stark verstreut. Vor allem in Iran zählt die Religion allerdings zu den am stärksten wachsenden Glaubensrichtungen, da sie gerade bei jungen Leuten das Gefühl der nicht-Islamität und somit das Begehren nach freier Entfaltung stärkt.

Der wohl bekannteste Vertreter unter ihnen war Freddy Mercury

Außerhalb der Stadt: Tagestrip zu den Ruinen von Kharanaq und der Burg von Narin

Das Ruinendurf Kharanaq

Etwas außerhalb der Stadtmauern liegt deiner der schönsten Abenteuerspielplätze des Iran. Kharanaq ist ein kleines verlassenes Dorf, dessen Lehmziegelbauten allmählich dem Zahn der Zeit nachgeben. Dennoch macht es unwahrscheinlich viel Spaß, das an einem Hand gebaute Dorf auf wirren, nicht besonders sicheren Pfaden zu entdecken. Man muss klettern, kriechen und kreativ sein, um sich hier seinen Weg über Dächer und durch ehemalige Wohnräume entlang der Siedlung zu bahnen.

Auf dem Weg zurück nach Yazd kann man noch einen Abstecher zur Burgruine von Naryn einlegen, die ebenfalls sehr beeindruckend zu besuchen ist und tolle Fotomotive bietet.

Sehenswürdigkeiten Yazd Kharanaq
Die imposante Burg von Naryn
Dasht e Tut Wüste Iran
Die karge Landschaft der Dasht-e Lut

Ok, die Lut Wüste ist nun nicht gerade ein Tagesausflug ab Yazd. Dennoch lohnt sich der Abstecher, wenn man schon mal die touristische Hauptroute im Zentrum des Landes verlassen hat. Nur ein paar Busstunden südlich von Yazd liegt die Stadt Kerman. Von hieraus lassen sich spektakuläre Trips zu einem der heißesten Orte der Welt unternehmen: der Lut Wüste. Hier gibt es nichts außer Sand, bizarre Felsformationen und wahrscheinlich einen der eindrucksvollsten Sonnenuntergänge, die ich je gesehen habe.

War noch was?

Keulenschwingen in Yazd

Und noch etwas kurioses zum Abschluss: Zurchaneh. In diesem Krafthaus, wie es auf Deutsch heißt, geht es in erster Linie um den Aufbau körperlicher Fitness. In einer Art Ring befindet sich eine Gruppe Sportler in traditioneller Kluft, also mit bunt bestickten Hosen. Und weniger traditionellen T-Shirts. Denn eigentlich wird oberkörperfrei trainiert – nur im Iran ist das seit der islamischen Revolution nicht mehr erlaubt.

Außerhalb des Ringes wird rhythmische Musik getrommelt, gerasselt, geklingelt. Die Sportler beginnen zunächst mit einem Warm-Up bestehend aus tänzerisch verpackten Liegestützen und Dehnübungen in der Gruppe.

Zwischendurch reißt immer wieder jemand die Mitte des Ringes an sich und dreht sich unter dem lautstarken Beifall der anderen schnell im Kreis. Wie ein Dreidel.

Sobald alle einen Drehwurm haben, fangen sie an schwere Holzkeulen zu schwingen, die bis zu 40kg wiegen. Auch wenn es eigentlich ein Kraftsport ist, gleicht die ganze Angelegenheit eher einer Show zur Unterhaltung des Publikums. Einen Besuch kann ich nur empfehlen!

Weiter geht’s

Nur wenige Busstunden südlich von Yazd liegt Kerman, das Tor in die Wüste Lut: einem der heißesten Orte der Welt.

Dasht e Tut Wüste Iran

Na dann viel Spaß!

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