Fernab der touristischen Hauptroute entlang des von Kreuzfahrten besuchten Nils liegt nahe der sudanesischen Grenze die kleine nubische Stadt Abu Simbel. Wer sich hierher verirrt, ist auf dem Weg zu einer der beeindruckendsten Sehenswürdigkeiten Ägyptens: den Felsentempeln von Abu Simbel.
Pharao Ramses II ließ zu Ehren der Herrlichkeit des Ägyptischen Reiches und der Glorifizierung seiner selbst zwei Tempel in den Fels hauen. Bereits mehr als 3.300 Jahre trotzen diese Bauwerke der Witterung und Sandstürmen. Seit 1979 stehen sie bei der UNESCO auf der Liste des Weltkulturerbes.
Die Zwillingstempel liegen direkt am Ufer des Nils ganz im Süden Ägyptens, nur einen Steinwurf von der sudanesischen Grenze entfernt. Doch die Lage direkt am Wasser wurde den ihnen beinahe zum Verhängnis.
Immer wieder tritt der Nil zur Regenzeit Ostafrikas über die Ufer. Das bringt zwar fruchtbaren Boden für die Agrarwirtschaft, richtet aber in den Siedlungen regelmäßig große Schäden an. Daher wurden Staudämme erreichtet, um die Wassermassen zu beherrschen. Verheerende Überflutungen sollten verhindert und das rückgestaute Wasser in Dürreperioden der Bevölkerung bereitgestellt werden.
Der Wasserstand im entstandenen Staubecken – dem Nassersee – stieg soweit an, dass gleich mehrere Kultstätten entlang des Nils vom Versinken bedroht waren. Die sicherlich nicht direkt naheliegende Lösung: die Tempel mussten verlegt werden. Doch wie verlegt man Bauwerke, die aus dem vollem Fels gehauen sind?
Zunächst wurde über Bohrlöcher Epoxidharz in den Fels geleitet, welcher sich in den Poren absetzen und das Gestein somit vor dem Zerbröckeln schützen sollte. Anschließend wurden beide Tempel in transportierbare Blöcke zersägt. Ganze 1036 Böcke sind so allein für die zwei Tempel entstanden. Diese wurden anschließend 180m weiter entfernt auf einer höher gelegenen Stelle wieder aufgebaut. Hinzu kamen weitere 1112 Blöcke der umgebenen Felsen, um das Denkmal originalgetreu nachbilden zu können.
5 Jahre dauerte das Unterfangen und die Schnitte sind bis Heute in den Tempeln sichtbar. Aber immerhin lassen sie auch weiterhin ohne Taucherausrüstung besichtigen.
Trivia: geleitet wurde das Projekt von der Deutschen Baufirma Hochtief
Trivia: der Aufruf zur spektakuläre Rettungsaktion für die Tempel von Abu Simbel wurde von der UNESCO geleitet und genoß große internationale Aufmerksamkeit. Eine der wichtigsten Erkenntnisse daraus war, dass der Aufwand zum Schutz von kulturellem Erbe mitunter die Möglichkeiten der Staaten übersteigt, in denen die Stätten stehen. Daraus entstand wenige Jahre später die UNESCO Welterbeliste auf der bis Heute über 1.100 Stätten weltweit geführt werden.
Wie komme ich dorthin?
Wie komme ich dorthin?
Aufgrund der Staudämme hinter Assuan ist es nicht möglich, mit dem Kreuzfahrtschiff nach Abu Simbel zu reisen. Dennoch lassen sich die beeindruckenden Tempel gut als Tagesausflug besuchen.
Flugzeug
Die Tempel sind bei den Touristen so beliebt, dass in dem 2.500 Einwohner-Städtchen sogar ein Flughafen errichtet wurde. Flüge gibt es sowohl von Assuan als auch Hurghada und Kairo aus. Zeitweise gab es sogar Direktflüge ab Hamburg nach Abu Simbel.
Ich finde Flugreisen für Tagestrips nicht sonderlich attraktiv. Der Rundflug ist mit ca. 300€ (Stand 2019) sehr teuer. Man verbringt sehr viel Zeit mit Warten auf dem Flughafen und auch der ökologische Fußabdruck wird dadurch nicht besser.
Reisebus ab Assuan
In Assuan lassen sich Touren per Gruppenreise im Bus leicht organisieren. Die Busse fahren zu festen Zeiten zweimal täglich in einem von der Polizei bewachten Konvoi von Assuan nach Abu Simbel. Die erste Gruppe fährt in der Regel gegen 4 Uhr in Assuan ab und ist pünktlich um 8 an den Tempeln. Die zweite Gruppe fährt Mittag los und kommt am Nachmittag an. Nach jeweils maximal 2h vor Ort geht es wieder zurück.
Mit ca. 25€ für den Transport die wohl günstigste Möglichkeit, die Tempel zu besuchen. Allerdings bleibt hier das gleiche Problem, welches auch Flugreisende haben: keine Flexibilität. Die eingeschränkte Besuchszeit vor Ort und vor allem die vielen anderen Touristen, die aufgrund des Konvois zeitgleichen Tempel besuchen, sollte man bedenken.
Privates Taxi ab Assuan
Wer die Möglichkeit haben will, nahezu allein durch die Tempelanlagen zu schlendern, entscheidet sich für ein privates Taxi ab Assuan. Das ist zwar mit 80€ pro Fahrzeug für den Tagesausflug etwas teurer als der Tourbus, lohnt sich aber in jedem Fall ab 3 Personen. Dafür lassen sich die Fahrzeiten aber individuell anpassen. Wir sind gegen 7 Uhr losgefahren und kamen somit kurz vor der Mittagszeit an, die von den Gruppentouren gemieden wird. Als wir am Ticketschalter eintrudeln, steigen die Massen gerade wieder in ihre Busse ein. Wir sind beinahe völlig allein in Abu Simbel. Taxis lassen sich in Assuan entweder durch die Unterkunft oder direkt auf der Straße finden. Viele Fahrer sprechen zumindest grundlegend Englisch, einige sogar Deutsch. Da ist für jeden etwas passendes dabei.
Und das gibt es hier zu sehen
Tempel von Ramses II
Als erstes erreicht man den großen Tempel des Ramses II. Neben der obligatorischen Widmung an wichtige Gottheiten gilt er vor allem der Verherrlichung des Pharaos selbst. Denn Ramses II war einer der bedeutendsten Herrscher des alten Ägypten.
Anders als viele vor ihm war er nämlich vor allem erfolgreich darin, den Frieden zu bewahren. Nach einer verheerenden Niederlage gegen seine Rivalen aus dem Nord-Osten, die Hethiter, schloss er mit ihnen den ersten dokumentierten Friedensvertrag der Geschichte.
In den 66 Jahren seiner Regentschaft ließ er mehr Tempel errichten, als alle anderen Pharaonen nach ihm. Daher ist es durchaus nachvollziehbar, dass er in Abu Simbel sich selbst so sehr huldigt. Beeindruckend ist bereits der Eingang zum Tempel. Dieser wird von vier jeweils 21m hohen Statuen flankiert, die den Pharao selbst abbilden.
Trivia: Die durchschnittliche Lebenserwartung europäischer Männer im Mittelalter betrug weniger als 30 Jahre. Ramses II wurde wahrscheinlich 90 Jahre alt, 66 davon verbrachte er als Pharao auf dem Thron. Ein klares Indiz für den Wohlstand in Ägypten vor 3.300 Jahren.
Trivia: der Kopf der Statue links des Eingangs ist vermutlich durch ein Erdbeben noch zu Lebzeiten von Ramses II abgebrochen. Er wurde nach der Versetzung des Tempels wieder originalgetreu vor der Statue abgelegt.
Auch das Innere des Tempels erinnert an jeder Stelle an Ramses II. Sobald man in den Korridor tritt, stehen auf dem Weg zu beiden Seiten je vier weitere Statuen mit seinem Abbild Spalier und geleiten den Besucher sozusagen durch den Bau.
Die Dekorationen an den Wänden erzählt vor allem seine Geschichten als König und Kriegsherr. Auch von seiner Niederlage gegen die Hethiter wird berichtet – allerdings hat Ramses II die Schlacht nach seiner Rückkehr vor seinen Gefolgsleuten als Sieg verkauft. Und da er mit seinem Gegner ja erfolgreich einen Friedensvertrag verhandelt hatte, kam es auch nie zu Angriffen auf Ägypten seitens der Hethiter. Wer sollte also an seinen Schilderungen zweifeln?
Alternative Wahrheiten gab es also bereits lange vor Donald Trump und Twitter.
Von besonderer Bedeutung ist die kleine Kammer im hintersten Bereich, das Heiligtum des Tempels. Nur an zwei Tagen des Jahres werden die mittleren Statuen für kaum mehr als eine viertel Stunde von den Sonnenstrahlen beleuchtet, die durch den Eingang zum Tempel fallen. Zu Lebzeiten von Ramses waren das der 21. Februar sowie der 21. Oktober. Aufgrund von unter anderem Schaltjahren findet das Sonnenwunder genannte Ereignis Heute an anderen Tagen statt.
Es kann aber trotz der Verlegung des Tempels immer noch beobachtet werden. Heute sind das unter anderem aufgrund von Schaltjahren Was genau es mit diesen Daten auf sich hat, ist aber nicht ganz klar.
Tempel der Nefertari
Nur 150m entfernt steht der etwas kleinere, aber ebenfalls imposante Hathor-Tempel der Ramses II königlicher Gemahlin Nefertari gewidmet ist. Die Statuen am Eingang sind ebenfalls in den Fels geschlagen und zeigen abwechselnd Nefertari als Göttin Hathor und Ramses II. Kleiner, zwischen ihnen, sind Abbilder ihrer Kinder zu sehen.
Der Aufbau im Inneren erinnert zwar mit der großen Vorhalle und dem Heiligtum am Ende des Korridors an den großen Tempel, fällt aber bedeutend kleiner und einfacher aus.
Wer seine bessere Hälfte verehrt, der verdient sich Ihre Gunst auch durch Aufmerksamkeiten. Ein Strauß Blumen scheint auch im Altertum bereits eine geeignete Überraschung gewesen zu sein.
Die Handwerker im alten Ägypten waren hervorragende Zeichner. Es ist erstaunlich mit welcher Detailtreue und genauem Wiederholungsgrad die Gräber und Tempel gestaltet sind. Ein gängiger Stil ist die Darstellung von Personen aus der seitlichen Silhouette. Der perspektivische Umschwung auf eine Frontale muss die Künstler vor völlig neue Herausforderungen gestellt haben. Zumindest bin ich der Auffassung, dass die vermutliche Schönheit der hier dargestellten Göttin Hathor hier nicht vollends zur Geltung kommt.
Die Gruppentouren vermeiden durch ihre festen Fahrzeiten den Besuch der Tempelanlagen zur Mittagszeit. Denn hier im Süden Ägyptens wird es unfassbar heiß. Bäume und Schatten gibt es kaum. Abkühlung findet man nur in den Tempeln selbst, allerdings kann die Luft hier schnell stickig werden.
Daher sollte man ausreichend Wasser mitbringen und jeden Moment im Schatten genießen.
Eckdaten
Location: hier
Kosten: 200LE (ca. 10€) für den Eintritt + 350LE (ca. 18€) für die Fotoerlaubnis
Dauer: Mindestens 2h sollte man einplanen
Die Reise geht weiter
Wer die Tempel von Abu Simbel besucht, der tut das vermutlich von Assuan aus. In der Nähe der Stadt gibt es mitten in der Wüste das verlassene christliche Simeonskloster, welches sich ebenfalls als Tagesausflug entdecken lässt.
Mario
Prince Abbas – Nasserseekreuzfahrt von Assuan bis Abu Simbel – also ist es doch möglich, mit dem Schiff dorthin zu reisen?