Ausflug von Baghdad nach Samarra – Malwiya Minarett und Al-Askari Schrein
Seit der Erfolgsgeschichte der Dynastie der Abbasiden, die vom Gebiet des heutigen Irak aus eine der größten Reiche der islamischen Welt errichtet, ist Baghdad als Hauptstadt geplant und ausgebaut. Doch für einen kurzen Moment der Zeit wurde die kleine Stadt Samarra im Norden Baghdads die Hauptstadt des Abbasidenreiches.
Und auch wenn das nur für wenige Dekaden der Fall war, ist Samarra Heute dennoch eine der wichtigsten Ruinenstädte des mittleren Ostens. An keinem anderen Ort konnten Wissenschaftlicher so viel über frühe Dynastien der damals noch jungen Weltreligion lernen. Tatsächlich wurden hier erstmalig Ruinen der islamischen Geschichte systematisch und wissenschaftlich untersucht – da sonst häufig nur Raubschatzung betrieben wurde. Die historische Altstadt von Samarra mit ihren vielen Ausgrabungsstätten ist von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt worden.
Trivia: die Ruinen von Samarra sind historisch so bedeutend, dass es das Malwiya genannte Minarett der großen Moschee sogar auf die 250 Dinar Note des Irak geschafft hat.
Was liegt wo
Anreise nach Samarra
Samarra liegt etwa 150km und damit weniger als 2h Autofahrt nördlich von Baghdad. Die Stadt wird allerdings bis heute nicht von Regierungstruppen, sondern einer lokalen Miliz kontrolliert. Daher ist leider etwas komplizierter, in die Stadt zu kommen.
Lokaler Ansprechpartner
Eine zeitlang war es notwendig, einen lokalen Kontakt im Vorfeld zu organisieren, der einen am Checkpoint von Samarra abholen. Das ist zwar nicht mehr Pflicht, aber dennoch ratsam. Der lokale Kontakt übernimmt die Diskussion mit der Miliz und beschleunigt das ganze Prozedere. Sehr hilfsbereite Kontakte kann man am besten über die Facebook Gruppe Iraqi Travellers Café aufbauen.
Privater Transport
Shared Taxis nach Samarra fahren von der Allawi North Garage ab. Die Fahrt kostet pro Person 15.000 IQD pro Richtung. Allerdings dürfen sich Ausländer in Samarra nicht frei bewegen und müssen mit dem Auto zwischen den Sehenswürdigkeiten hin und her fahren. Daher macht man am Besten schon vor Abfahrt mit dem Taxifahrer einen Paketpreis für die Fahrt als privates Taxi aus. Unbedingt im Vorfeld den Preis ausmachen!
Ein guter Richtwert für Hin- & Rückfahrt sowie die Zeit vor Ort sollten etwa 100-150.000 IQD sein und lässt sich durch bis zu vier Leute im Auto teilen.
Reisepass als Pfand und begrenzte Zeit
In der Vergangenheit war Samarra immer wieder Ziel verheerender Angriffe, sodass man hier besonders Vorsichtig ist. Die Miliz nimmt die Kontrolle am Checkpoint also sehr genau. Wir hatten einen lokalen Kontakt, ein privates Taxi und dennoch hat es am Checkpoint etwa eine Stunde gedauert, unsere Pässe zu kontrollieren und uns passieren zu lassen.
Die Soldaten sind aber super nett und versorgen uns während der Wartezeit sogar mit Wasser!
Der Reisepass muss am Checkpoint abgegeben werden, man bekommt ihn auf der Rückfahrt wieder. Das ist hier ganz normal. Außerdem bekommt man in der Regel ein ausgemachtes Zeitfenster, wie lange man sich in der Stadt aufhalten darf. Bei uns waren es drei Stunden, was immerhin für die zwei wichtigsten Sehenswürdigkeiten gereicht hat.
Sehenswürdigkeiten von Samarra
Die Große Moschee von Samarra und das Malwiya Minarett
Die Große Moschee von Samarra ist wohl das historisch bedeutendste Gebäude der Stadt. Sie wurde während der Regentschaft der Abbasiden im 9. Jahrhundert errichtet und war zur damaligen zeit die größte Moschee der Welt. Neben den Dimensionen selbst ist vor allem das Minarett von Samarra, welches Malwiya genannt wird, etwas besonderes. Die meisten Minarette sind Türme mit innenliegender Wendeltreppe als Aufstieg für den Muezzin.
Doch das Malwiya ist massiv gebaut. Hinauf geht es über einen außenliegenden spiralförmige Aufgang. Das Konstrukt erinnert sehr stark an eine Zikkurat, also antike Sakralbauten aus dem mesopotamischen Raum.
Man kann auf das 52m hohe Malwiya auch rauf. Und zwar ist der spiralförmige Aufgang zu Beginn noch recht breit, verjüngt sich aber nach oben hin. Ein Außengeländer gibt es nicht, lediglich einen Handlauf auf der Innenseite zum Festhalten. Der ist allerdings aus Metall und schwarz – bei der Hitze in Irak lässt der sich kaum ohne Verbrennungen berühren.
Tatsächlich ist der Aufstieg daher bei Höhenangst nicht ratsam und auch nicht ganz ungefährlich, es besteht Absturzgefahr. Ich habe mich allerdings dennoch hoch gewagt und finde, dass der Ausblick den angstbedingten Schweiß durchaus wert war. Von hier erkannt man die Dimensionen der Moschee, von der seit der Invasion der Mongolen lediglich die Außenmauern weiterhin stehen.
Eckdaten
Location: hier
Was kostet mich das: 20.000 IQD (ca. 13€)
Dauer des Besuchs: ca. 1h
Wann besuchen: täglich 9h00 – 17h00
ACHTUNG: seit kurzem geschlossen wegen Restaurierungsarbeiten (Stand 2023). Das Minarett kann aber noch vom Parkplatz aus angeschaut werden.
Al Askari Schrein
Neben dem weltlichen Erbe, also den Ruinen der alten Hauptstadt des Abbasidenreiches, ist Samarra aber auch und vor allem für Schiitische Pilger von großer Bedeutung. Doch warum genau ist das so?
Die meisten Schiiten gehören den sogenannten Zwölferschiiten an. Laut Ihnen ging die Aufgabe der Führung der Muslime nach dem Tod des Propheten Mohammads auf seine Nachfahren über. Diese Anführer nennen sie Imame. Doch der zwölfte Imam verschwand eines Tages und lebt seither im Verborgenen. Bei seiner Rückkehr wird er das Ende der Welt verkünden.
In Samarra befinden sich die Gräber von zwei der elf verstorbenen Imame. Über ihnen wurde der Al-Askari Schrein erbaut, der Heute eben ein sehr wichtiger Wallfahrtsort für Schiiten aus der ganzen Welt ist. Insgesamt befinden sich in Irak sechs der elf Grabmale. Vier weitere sind in Saudi Arabien begraben und einer in Iran.
- Imam #1: Ali in Najaf (Imam Ali Moschee)
- Imam #3: Al-Husain in Karbala (Imam-Husain Schrein)
- Imam #7: Al-Kazim in Baghdad (Kazimiyya Moschee)
- Imam #9: Muhammad in Baghdad (Kazimiyya Moschee)
- Imam #10: Ali an-Naqi in Samarra (Al-Askari Schrein)
- Imam #11: Al-Askari in Samarra (Al-Askari Schrein)
Der zwölfte Imam, al-Mahdi, ist ebenfalls hier in Samarra in die Verborgenheit übergegangen.
Die Bevölkerung von Samarra war allerdings lange Zeit mehrheitlich sunnitisch. Das sorge immer wieder für Spannungen, die sich leider mehrfach in verheerenden Anschlägen und Ausschreitungen ausdrückten. So war etwa der Al-Askari Schreib gleich mehrfach Ziel von Bombenanschlägen durch Extremisten:
- 2006: bei einem Bombenanschlag wurde die originale goldene Kuppel des Al-Askari Schreins zerstört. Durch die Bombe und den anschließenden Tumult zwischen Sunniten und Schiiten bei der Suche nach Schuldigen wurden etwa 1.000 Menschen getötet
- 2007: wurden bei einem weiteren Anschlag auch die beiden Minarette, welche die Kuppel flankierte, zerstört. Tote gab es durch den Anschlag keine
- 2011: ein Selbstmordattentäter sprengte sich zur Besuchszeit in dem Schrein in die Luft und tötete dabei 48 Menschen.
Der Zugang zum Schrein ist daher auch streng bewacht. Man muss durch gleich mehrere Sicherheitskontrollen mit Metalldetektoren und Rucksackkontrollen. Das soll den pilgern mehr Sicherheit bieten. Der Schrein wurde nach den Anschlägen jedes mal wieder aufgebaut. Eine neue Kuppel wurde über die Grabmale errichtet und sie wird auch wieder von Minaretten flankiert. Auch das Interieur des Schreins wurde vollständig wieder hergerichtet.
Und das hat es wirklich in sich. Für schiitische Sakralbauten ist eine umfangreiche Dekoration sehr typisch, die Fassaden im Inneren sind in der Regel mit flektierenden Glaselementen, farbigem Marmor oder sogar Edelsteinen ausgeschmückt. Ein absolut beeindruckender Anblick beim Betreten.
Im inneren des Schreins befinden sich dann die Grabmäler. Hier kommen Gläubige zusammen, singen Loblieder auf die verstorbenen Imame und zitieren aus dem Koran. Außerdem beten sie hier auch für Gesundheit oder bitten um Hilfe für sich und andere.
Der Grad an Hingabe, den man hier beobachten kann, ist unglaublich. Viele der Gläubigen versinken dermaßen in Gedanken und Gebeten, dass sie in Tränen ausbrechen. Trotz der Öffentlichkeit des großen Schreins ist es für die meisten Besucher ein äußerst intimer Ort.
Und auch wenn viele von Ihnen westliche Besucher sehr neugierig empfangen und sogar um Selfies bitten werden ist es doch wichtig, den Pilgern gegenüber respektvoll zu sein und sie in der Ausübung ihrer Gebete nicht zu stören.
Trivia: Samarra ist Geburtsort von Abu Bakr Al-Baghdadi – der bis zu seiner Tötung Anführer der Terrororganisation Islamischer Staat war.
Eckdaten
Location: hier
Was kostet mich das: kostenlos
Dauer des Besuchs: 1h30
Wann besuchen: jederzeit
Weitere Sehenswürdigkeiten in Samarra
Leider hatten wir mit dem Checkpoint nur eine kurze Besuchszeit von 3h vereinbart. Und da wir uns nicht abhetzen wollten, war die nach der Besichtigung des Malwiya Minaretts und des Al-Askasi Schreins bereits vorbei.
Wer mehr Zeit mitbringt oder ein weiteres Mal in Samarra ist, kann sich noch drei Weitere spannende Sehenswürdigkeiten anschauen:
War noch was?
Wer Lust auf mehr beeindruckende Baudenkmäler der mächtigen Dynastie der Abbasiden hat, sollte auf jeden Fall einen Besuch der Ukhaidir Festung einplanen. Sie liegt mitten in der Wüste in der Nähe der bedeutenden Stadt Karbala und ist vermutlich das am besten erhaltene Gebäude aus des Irak aus dieser Zeit.
Jens
Moin, plane für Oktober einen Trip in den Irak und stolperte dabei über Deinen Blog – sehr schön und informativ, danke dafür. Kurze Frage zur großen Moschee von Samarra, wo hast Du die Info her, dass da renoviert wird und ist das noch gültig ? Google ist da gerade wenig auskunftsfreudig. Wäre doof, davor zu stehen und dann ist zu 😉
Peter
Die Info habe ich aus der Facebook Gruppe „Iraqi Travellers Café“. da bekommst du immer aktuelle Infos von Locals bzw Reisenden die gerade dort sind. Kann ich dir nur empfehlen!
Jens
Danke schön!