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Das Ende meiner Reise durch Argentiniens eisigen Süden führt mich auch gleichzeitig an dessen südlichsten Punkt, nach Ushuaia. Südlich der Magellanstraße liegt eine Inselgruppe, die als Feuerland bezeichnet wird. Der größere und auch südlichste Teil des begehbaren Landes gehört zu Chile, doch auch Argentinien hat sein Lineal an die Landkarte angelegt und sich ein Pythagoreisches Dreieck der Landmasse gesichert.

Das argentinische Feuerland liegt zwischen der Magellanstraße im Norden und wird im Süden vom Beagle Kanal begrenzt.

Trivia: Während der Erkundung der Magellanstraße um 1520 sind den Abenteurern Nachts die vielen Feuer der Ureinwohner aufgefallen. Und so einfallsreich wie man damals eben war, wurde die Inselgruppe kurzerhand Feuerland getauft.

Ushuaia selbst ist keine Stadt, die man auf den ersten Blick als schön bezeichnen würde – und auch auf den Zweiten nicht. Der Ort besticht durch seinen industriellen Charme und ist weithin geprägt durch die vielen Expeditionsschiffe, die sich in Ushuaia mit Vorräten und zahlungskräftigen Touristen beladen. In nur wenigen Jahren seit den 1980ern ist Ushuaia auf ein Vielfaches seiner Größe gewachsen. Und der Eindruck bleibt nicht aus, dass dies völlig planlos geschah.

Trivia: Wer spontan Lust auf eine Expedition zur Antarktis hat, ist hier genau richtig. Restplätze auf den Schiffen gehen hier für Ramsch-Preise über die Ladentheke und bieten so auch dem preisbewussten Abenteuer die Möglichkeit, den siebten Kontinent zu bereisen. Eine zweiwöchige Fahrt kann Last Minute schon für 6.000 US$ erworben werden.

Der Hafen von Ushuaia

Feuerland ist eine raue und trostlose Provinz – fast das gesamte Jahr lang herrschen hier starke Winde und häufige Niederschläge. Für die Menschen gibt es eigentlich Nichts und das Wenige, das es gibt, muss aufwendig aus der Ferne hierher transportiert werden. Daher sind Produkte und Dienstleistungen hier am teuersten im Vergleich zum ganzen Rest Argentiniens.

Damit sich die Locals das auch leisten können, ist hier auch das Lohnniveau am höchsten! Nirgendwo in Argentinien gibt es für vergleichbare Arbeit höhere Gehälter. Ein Teufelskreis.

Doch dafür müssen zunächst Jobs geschaffen werden. Dazu hat die Regierung Feuerland zur Sonderwirtschaftszone mit zahlreichen Steuerbefreiungen erklärt, damit sich Firmen hier ansiedeln. Und das hat tatsächlich funktioniert, denn Heute befindet auf Feuerland viele Betriebe zur Endmontage für Haushaltsgeräte, die für den argentinischen Markt bestimmt sind. Einzelteile kommen aus China nach Buenos Aires, werden nach Ushuaia geliefert, dort günstig montiert und gehen dann zurück in den Handel nach Buenos Aires. Alles im Sinne des ökologischen Fußabdrucks.

Wrack der St. Christopher am Hafen von Ushuaia

Doch der Grund, die abgelegenste Stadt Argentiniens zu besuchen ist eigentlich viel banaler: Ushuaia gilt als das Ende der Welt. Aber warum denn eigentlich?

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Hier endet der Pan-American Highway In den 1940ern wurde beschlossen, eine kontinentenübergreifende Straßenverbindung in den Amerikas zu errichten. Heute lässt sich die Strecke Alaska bis Feuerland auf etwa 48.000km Länge fast vollständig mit dem Fahrzeug über ein Netz aus Schnellstraßen befahren. Einzig ein kleiner Abschnitt an der Grenze zwischen Panama und Kolumbien ist noch nicht fertiggestellt: der sogenannte Darian Gap. Und was hat das nun mit dem Ende der Welt zu tun? Alles. Denn die Straße endet in Ushuaia.
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Ushuaia gilt als die südlichste Stadt der Welt Ok, Superlative sollte man immer mit Vorsicht genießen. Denn hierbei handelt es sich natürlich auch um ein Verkaufsargument im Wettbewerb um Touristen (hat bei mir im Übrigen funktioniert). Denn auch die chilenische Stadt Puerto Williams, die unweit von Ushuaia am dem chilenischen Ufer des Beagle Kanals liegt, beansprucht diesen Titel für sich. Doch da die kleine Ortschaft lediglich 2.000 Einwohner beherbergt, erreicht sie damit kaum dieselbe Aufmerksamkeit wie das 60.000 Einwohner starke Ushuaia.
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Es fühlt sich einfach nach dem Ende an.. Ja so ist es. Egal wo man sich befindet, egal in welche Richtung man schaut. Lässt man den Blick hinüber zum Beagle Kanal schweifen, drängelt sich Konstant ein Gefühl auf. Das Gefühl, dass ab hier nichts mehr kommt. Dass es nicht mehr weitergeht. Und ob die geografischen Koordinaten den Titel nun rechtfertigen oder nicht: ich bin mit diesem Eindruck völlig zufrieden.

Was liegt wo

Meine Unterkunft: Hostel Yakush

Das Hostel selbst ist nichts besonderes. Altbackene Zimmer mit mittelmäßiger Ausstattung – Steckdosen am Bett sucht man vergebens. Um zu dem einen zentralen Bad zu kommen, muss man vorbei an der Rezeption und einem Aufenthaltsbereich einmal quer durch das gesamte Hostel laufen. Das ist vor allem Abends im Schlafgewandt für den ein oder anderen eher unpraktisch.

Die Lage ist allerdings tadellos, direkt an der Hauptgeschäftsstraße. Gute Restaurants, der Busbahnhof und der Hafen sind alle in wenigen Minuten zu Fuß erreichbar.

Highlights in Ushuaia

Tierra del Fuego Nationalpark

Blick in den Beagle Kanal

Ein Großteil der Provinz Feuerland ist für Touristen unzugänglich, lediglich einige wenige Teile des gleichnamigen Nationalparks sind für Besucher geöffnet. Der Park wartet mit einer Vielzahl an Wanderwegen auf. Vom steilen Anstieg auf den Cerro Guanaco bis zu eben Wegen entlang der Küste des Beagle Kanals ist für Jeden etwas dabei.

Da ich nach meinem verkorksten Abenteuer im Torres del Paine Nationalpark vergangene Woche noch unter meinem geschwollenen Sprunggelenk leide, entscheide ich mich für den entspannten Spaziergang an der Küste – dem Senda Costera. Dieser führt über einer Länge von 8km vom Postamt am Ende der Welt bis zum Besucherzentrum Alakush mitten im Park.

Trivia: ja richtig, mitten im Nationalpark gibt es ein Postamt. Allerdings ist dieses privat betrieben und bietet neben vielen Souvenirs auch einen Stempel im Reisepass für das Erreichen des Endes der Welt – gegen einen unverschämt großen Obolus natürlich.

Die dichten Buchenwälder am Ufer des Beagle Kanals
Das Bild könnte täuschen: es ist stürmisch und kalt

Im Atlantik bildet sich seit einigen Jahren eine der größten Algenteppiche der Welt und wird regelrecht zur Plage: die Braunalge. Sie ist auf Satellitenbildern zu sehen und erstreckt sich beinahe flächendeckend vom Westen Afrikas bis in die Karibik. Schon bei meiner Reise nach Cancun 2015 sind mir die vielen Arbeiter aufgefallen, die in den frühen Morgenstunden mit Schaufeln und LKW versuchen, Mexikos Traumstrände von dem glitschigen braunen Zeug zu befreien.

Und auch hier, am Ende der Welt ist man allem Anschein nach davor nicht gefeit..

Braunalgen am Strand

Das Besucherzentrum Alakush entpuppt sich als Zentrum der Massenabfertigung und lädt nicht wirklich zu einer Pause ein. Daher gehe ich auch direkt weiter mit dem Ziel Bahia Lapataia, der Bucht an der Grenze zu Chile, wo zusammen mit der Panamericana auch die Welt endet. Kleine Umwege führen mich zu Seen und Sümpfen im Umland, wie etwa der Laguna Verde.

Ausblick auf die Laguna Verde auf dem Weg zur Bahia Lapataia

Die Wanderwege erscheinen mir trotz Hauptsaison und Sonnenschein verwaist. Sehr zu meinem Gefallen begegnen mir lediglich nahe der Parkplätze, wo auch die Busse halten, andere Touristen und so kann ich die einzigartige Landschaft ungestört genießen.

Neben den Touristen glänzen auch indigene Säugetiere mit Abwesenheit. Lediglich einige Vogelarten lassen sich in den Wäldern und Büschen entdecken. Vor allem in den hohen Wipfeln toter Bäume genießen die Raubvögel die freie Sicht auf potentielle Beute.

Auch Hobby-Ornithologen kommen hier wieder auf ihre Kosten: ein Chimangokarakara
Die Bahia Lapataia - an dieser Bucht endet die Panamericana

Kosten: 560 AR$ Eintritt und 400 AR$ für den Bus
Dauer: Mindestens einen ganzen Tag sollte man schon einplanen. Es gibt allerdings auch ausreichend abwechslungsreiche Wanderwege für mehrere Tage – auch das Eintrittsticket wird dann günstiger!

Achtung: Die Busse, die zwischen Ushuaia und dem Nationalpark pendeln sehen zwar alle gleich aus, gehören allerdings zu verschiedenen privaten Transportunternehmen. Diese haben alle unterschiedliche Rückfahrzeiten die man im Vorfeld wissen sollte – denn man kann nur mit dem gleichen Unternehmen zurückfahren.

Die Fauna des Beagle Kanals

Küken der Magellanpinguine auf der Isla Martillo

Das absolute Highlight meines Trips nach Ushuaia war eine Bootsfahrt durch den Beagle Kanal. Entlang verschiedener Inseln lassen sich hier Kormorane, Seelöwen und Robben beobachten. Am Ende kann man zu Fuß über die Isla Martillo zwischen den Kolonien brütender Pinguine wandern.

Über die Tour habe ich einen separaten Eintrag geschrieben.

Tag 27: sie haben immer noch nicht gemerkt, dass ich kein Seelöwe bin!

Kosten:  165 USD für die Tour inkl. Spaziergang auf der Insel der Pinguine. 40 USD ohne.
Dauer: ca. 6-7 h

Laguna Esmeralda

Mit nassen Füßen angekommen: die Laguna Esmeralda

Wie bereits erwähnt, ist ein Großteil der Insel für den Tourismus gesperrt. Dennoch gibt es im näheren Umfeld von Ushuaia auch außerhalb des Ticketschalters des Tierra del Fuego Nationalparks Lagunen und Gletscher, zu denen man wandern kann.

Eines der einfachsten und daher auch beliebtesten Ziele ist die Laguna Esmeralda. Der Wanderweg verläuft flach über etwa 4,5 km je Richtung durch sehr abwechslungsreiches Gelände. Dabei ist das Panorama an Wasseransammlungen und toten Bäumen vor den kargen Bergen Feuerlands absolut spektakulär.

Die unwirtliche Landschaft auf dem Weg zur Laguna Esmeralda

Ushuaias Wirtschaft wurde durch viele Bemühungen seitens der Regierung angekurbelt. Eines der abwegigsten Projekte war der Aufbau einer lukrativen Pelzindustrie. Doch da die lokale Fauna kaum Potential für Pelze bot, kam man auf eine geniale Idee: man siedelt hier Biber an. Am besten die aus Kanada – ähnliche Vegetation, ähnliche klimatische Bedingungen. Was soll da schon schiefgehen?

Alles. Denn anders als in ihrer kanadischen Heimat haben die Nager auf Feuerland keinerlei natürliche Feinde – abgesehen vom Jäger natürlich. Aus den 25 ursprünglich ausgesetzten Biberpaaren wurden seit Ende des zweiten Weltkrieges geschätzte 200.000 Tiere, derer man nicht Herr wird.

Die Schäden sind enorm

Durch die gigantischen Dämme der Biber werden Flussläufe geändert und neue Seen entstehen. So schneiden sie ganze Wälder von ihrer Wasserzufuhr ab. Man schätzt, dass etwa 16 Millionen Hektar heimischer Buchenwälder unter akuter Bedrohung stehen. Auch geschützte Baumarten im Nationalpark stehen mittlerweile kurz vor dem Aussterben..

Ein riesiger Biberbau staut den kleinen Fluss auf

Nach den Wäldern, die den Bibern Material für ihre Konstruktionen bieten, folgt der eigentliche spannende Teil auf dem Weg zur Laguna Esmeralda. Denn plötzlich befinde ich mich inmitten eines riesigen Torfmoores! Ob es denn möglich ist, trockenen Fußes bis an das Ende des Feldes und somit zum Ziel zu kommen?

Zunächst beobachte ich die anderen Wanderer auf ihrer Odyssee und muss schnell für mich feststellen: nein, ist nicht möglich. Denn auch wenn vereinzelte Sandhaufen oder Grasbüschel Sicherheit vorgaukeln, sackt man doch bei jedem zweiten Schritt bis zum Knie ein.

Tipp: Gummistiefel mitnehmen. Oder gleich eine Hüfthohe Anglerhose.

In dem morastigen Boden sinkt man schnell bis zu den Knien ein

Kosten:  800 AR$ für das Busticket. Eintritt ist frei.
Dauer: ca. 4-5 h

War noch was?

Jawoll! Denn wenn man einmal in Ushuaia ist, muss man die lokale Spezialität probieren: die Antarktische Königskrabbe. Viele Restaurants bieten die widerspenstige Delikatesse als frischen Fang des Tages an, doch ein wahrer nicht mehr ganz so geheimer Tipp ist der „Viejo Marino“ an der Uferpromenade. Nachdem man mit Zange und Gartenschere bewaffnet wurde, gibt es noch eine kleine Einweisung, wie man damit am Besten an das wirklich leckere Fleisch gelangt.

Aber man darf sich hier nichts vor machen. So einfach, wie es mir der Kellner weismachen will ist es nicht. Ich setze die Schere an, die Schale knackt. Mehrfach rutsche ich ab. Fleisch, Saft und Schalenteile landen gleichmäßig verteilt auf dem Teller meines Sitznachbarn und meinem T-Shirt. Und dem Kollegen geht es genauso.

Eine gute Stunde später bin ich satt und habe einen leichten Muskelkater. Völlig eingesaut und mit einem dezenten Duft nach Hafenmitarbeiter verlasse ich zufrieden das Restaurant. Das hat sich gelohnt!

Die Königskrabbe "Centolla"

Tipp: Das Restaurant ist sehr gut besucht und es bilden sich lange Schlangen vor dem Laden. Da man leider nicht reservieren kann, lohnt es sich pünktlich zur Öffnungszeit zu erscheinen, um auch wirklich einen Tisch zu bekommen.

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