Es ist spät am Sonntag Nachmittag, als ich mit meinem Captur in Sevilla eintreffe. Die engen Gassen der Bergdörfer habe ich fast überstanden, genau wie die holprigen Landstraßen auf der mautfreien Alternative zur Autobahn.
Nun muss ich nur noch fix tanken, den AVIS Parkplatz finden und den Schlüssel in einen Briefkasten werfen. Leichter gesagt, als getan. Denn die Rechnung habe ich ohne die absolut chaotische Verkehrsführung in Spaniens Großstädten gemacht. In den teils mehr als vierspurigen Kreisverkehren fühle ich mich gefangen wie Chevy Chase im Film „Hilfe, die Amis kommen!“. Nach zwei Ehrenrunden gehe ich aufs Ganze. Ich schließe die Augen, vertraue auf meine Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung (Pro Tipp!) und ziehe einfach ohne Vorwarnung rüber und kreuze dabei gleich mehrere Spuren, um dem Strudel zu entkommen. Zu meiner Überraschung klappt das auch ganz ohne Hupkonzert.
Geschafft! Mein Auto ist abgegeben und mit dem Uber mache ich mich auf zum Hostel, um von dort aus das ehemalige Handelsmonopol zwischen Europa und Amerika zu erkunden.
„Lasmiranda Dennsevilla“
-Moe Szyslak, Stadtbekannter Gastwirt
Ja, richtig gelesen. Sevilla war der Hauptumschlagsplatz für den Handel mit der neuen Welt. Hier gründete die spanische Krone die Casa de Contratation – die Behörde zur Überwachung und Reglementierung des Schiffshandels. Dadurch gelangte die Stadt Sevilla ab dem 16. Jahrhundert zu enormen Reichtum und internationaler Relevanz.
So starteten von hieraus nicht nur Handelsschiffe auf dem Weg zur weiteren Ausbeutung der neuen Welt. Auch viele Entdecker wählten den Hafen Sevillas zum Ausgangspunkt ihrer Abenteuer: Magellan startete hier seine erste (und letzte) Weltumsegelung und auch der berühmte Kartograf Amerigo Vespucci ging von hier aus seinen Entdeckungsreisen nach.
Beachtlich für eine Stadt, die über keinen direkten Zugang zum Meer verfügt!
Trivia: Nach dem italienischen Kartenzeichner Amerigo Vespucci wurde auch der neuentdeckte Kontinent benannt. Dazu wurde sein Vorname in die übliche weibliche Form gebracht: Amerigo wurde zu America
WAS LIEGT WO
Meine Unterkunft: TOC Hostel Sevilla
Die mit Abstand beste Unterkunft während meines Trips nach Andalusien. Die Zimmer sind modern eingerichtet und haben all den Schnick-Schnack, mit dem man einen Rucksacktourist glücklich machen kann: am Kopfende der Betten befinden sich je eine Steckdose zum Handy aufladen und ein kleines Fach, in welches man eben jenes zum Laden ablegen kann (sodass man es nicht unter dem Kopfkissen einklemmen muss). Ich staune immer wieder, wie selten es das doch gibt.
Einziger Wermutstropfen: das Bad mit Dusche und WC ist leider räumlich nicht vom Schlafbereich getrennt – und somit könnt (müsst) ihr euren Zimmergenossen beim Duschen zuhören. Ich hätte mir hier eine schöne Trockenbauwand gewünscht!
TOC-Hostel? TOP-Lage!
direkt an der Avenida de la Constitución ist das Hostel nur einen Katzensprung von den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt entfernt: der Kathedrale, dem Archivo de Indios und dem Alcazár. Das alles befindet sich mitten in der Juderiá, der jüdischen Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen voller Cafés und Bars – alles was das hungrige Herz begehrt.
Die Zukunft ist jetzt
à propos Schnick-Schnack: anstelle der Schlüssel oder Schlüsselkarten lassen sich die Zimmer per Fingerabdruck öffnen. Beim Check-In wird ein Finger nach Wahl eingescannt. Anschließend ist an den Zimmertüren ein kleines Lesegerät angebracht. Finger ranhalten, ein kurzes bestätigendes Piepen ertönt und eine grüne LED signalisiert, dass der Eintritt gewährt wurde. Wie cool ist das denn? Den Fingerabdruck kann man nämlich auch nicht so leicht verlieren 🙂
Ein letzter Tipp vor den Sehenswürdigkeiten
in der App Kleos sind alle Bäume der Stadt hinterlegt. Man kann also in jeder Straße, jedem Park und jedem Garten genau sagen, welche Bäume um einen herum stehen. Dazu gibt es als Highlight passend zur jeweiligen Herkunft ein Lied, welches direkt in der App abgespielt werden kann.
Sevillas Highlights
Die Kathedrale Santa María de la Sede
Im ehemaligen Handelsmonopol mit der Neuen Welt darf eine prunkvolle Kathedrale natürlich nicht fehlen. Das gotische Gebäude, welches ab Beginn des 14. Jahrhunderts erbaut wurde ist nicht nur das größte Gotteshaus Spaniens, sondern sucht auch weltweit ihresgleichen.
Natürlich kommt es bei Statistiken immer auf den Betrachtungswinkel an und daher wird man für jede Anfrage zu verschiedenen Ergebnissen kommen können: zählt die Höhe? Der Grundriss? Das Volumen? Das gilt natürlich insbesondere wenn sich der gefundene Superlativ touristisch verwerten lässt.
„Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“.
– Alte Binsenweisheit
Dennoch möchte ich mich auf die Infos der Führung durch die Kathedrale berufen und folgendes hier festhalten:
Dass man dieses Monument Heute in der Form bestaunen kann, ist einem Erdbeben zu verdanken. Denn ursprünglich wurde die Moschee, die zuvor an genau diesem Platz stand, einfach zur Kirche umgestaltet und fortan für die Verbreitung christlicher Werte genutzt.
Doch nachdem diese bei einem Erdbeben 1359 zu großen Teilen zerstört wurde, entschied man sich für einen Neubau. Einer urbanen Legende nach zu urteilen fand dieser unter dem Motto statt:
„Lasst uns eine Kirche bauen, die so groß ist, dass alle, die sie fertig sehen, uns für verrückt halten“.
– Unbekannt
Mission erfolgreich, möchte man meinen. Es ist erfreulich zu sehen, dass Teile der alten Kultur wo nur möglich erhalten wurden. Der Eingang zur Nordseite führt noch Heute durch einen riesigen maurischen Torbogen in den Orangenhof und die Kathedrale wird auch weiterhin vom ehemaligen Minarett dominiert. Doch ertönen von der Giralda Heute Glocken um zur Messe zu rufen anstelle des Gesangs eines Muezzin.
Ein besonderes Highlight ist hier die geführte Tour der Dächer der Kathedrale. Denn anders als bei der Führung in Málaga wird man nicht nur einen Seitenaufgang hinauf- und wieder hinunter geführt. In Sevilla geht es entlang der vielen engen Treppenhäuser zu Balkonen unterhalb der Kirchenfenster, die früher dem Kirchenpersonal zum Öffnen und Schließen der Belüftung gedient haben. Da ich nicht besonders schwindelfrei bin, kann ich die schmalen Balkone allerdings nur bedingt genießen.
Tipp: Am Besten bucht man eine Tour am Ende der Öffnungszeiten. Dadurch hat man die Kathedrale während der Führung quasi für sich allein, ohne den Trouble der Touristen!
Der Eintritt kostet normal 9€ oder 16€ inkl. der Führung über die Dächer.
Tipp: Wo wir gerade vom Buchen sprechen.. es ist ratsam, den Eintritt in die Kathedrale vorab online zu reservieren. Zum Einen kann man so die Warteschlangen am Einlass überspringen. Zum Anderen ist es häufig gar nicht mehr möglich, an der Kasse noch Tickets für den gleichen Tag zu bekommen!
Touren gibt es auch auf deutsch und können hier gebucht werden.
Das Grab des Kolumbus
im Inneren Der Kathedrale befindet sich die letzte Ruhestädte des Entdeckers Christoph Columbus. Hierbei ist das Wort „letzte“ mit besonderer Aufmerksamkeit zu genießen. Denn genau wie er selbst zu Lebzeiten zwischen den Kontinenten umher schiffte, erging es auch seinen Gebeinen nach seinem Tod. Hier ein kurzer Auszug seiner Route:
Ob nun die wirklichen Gebeine von Kolumbus vollständig wieder in Sevilla angekommen sind oder nicht – Heute schmückt ein pompöses Grabmal das Andenken des Entdeckers. Getragen wird sein Sarg von Oberhäuptern der vier großen Königreiche Spaniens: Kastilien, León, Navarra und Aragón.
Das Real Alcazár von Sevilla
Direkt an die Südseite der Kathedrale schließt sich das Real Alcazár von Sevilla an – der Königliche Palast. Im Grunde ist das Anwesen ein bemerkenswertes Labyrinth aus mehreren Palästen, Galerien und vor allem aufwendig angelegten Gärten.
Der Bau stammt ursprünglich aus dem 10. Jahrhundert. Dennoch stammen die meisten Gebäude der heutigen Anlage aus der Zeit nach der Rückeroberung. Das Alcazár gilt durch die Mischung der Baustile als beeindruckendstes des für Andalusien typischen Mudéjar Stils: unter christlicher Herrschaft entstandene Bauten mit islamischem Einfluss.
Bis 1923 war hier die offizielle Residenz der spanischen Monarchie und auch heute noch übernachtet die spanische Königsfamilie nach geschäftlichen Besuchen in der Gegend im Alcazár.
Für den Besuch des Alcazár musste ich zweierlei Sachen mitbringen: Jede Menge Zeit und eine Vorab-Reservierung.
Allein um alle Gärten einmal abzulaufen, braucht man bereits zwei Stunden. Um die Anlagen wirklich zu genießen und die aufwändigen Wandteppiche, Mosaike und Verzierungen in den verschiedenen Palästen anzuschauen habe ich ich einen halben Tag dort verbracht.
Als eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Spaniens ist es kaum verwunderlich, dass man auch hier am Besten mit einer Reservierung reinkommt. Zwar gibt es mitunter auch die Möglichkeit, ein Ticket vor Ort zu erstehen, doch die Schlangen sind enorm lang und die Chancen auf einen spontanen Eintritt gering. Ich habe am Sonntag eine Reservierung ohne Führung gemacht und der nächstmögliche Termin war am Donnerstag!
Tickets kann man hier reservieren – wie immer mit einer minutengenauen Eintrittszeit. Leider gibt es die Seite nicht auf deutsch. Der Eintritt per Vorverkauf kostet 16,50€.
Trivia: die Aufnahmen für die Gärten von Dorne der Serie Game of Thrones wurden hier gemacht!
Plaza de España
Nur wenige Gehminuten südlich des Alcazár befindet sich der Maria Luisa Park – eine der größten Grünflächen Sevillas, in dem der Plaza de España liegt. Zu meiner Überraschung wurde dieser erst 1929 im Rahmen der iberoamerikanischen Ausstellung errichtet! Dabei wirkt er erhaben wie ein Überbleibsel vergangener Königreiche.
Der Platz besteht im Grunde aus einem halbkreisförmigen Hauptgebäude mit 200m Durchmesser, welches an beiden Enden mit Türmen begrenzt wird. Entlang des Gebäudes fließt ein Kanal, der dank der vielen mit bemalter Keramik dekorierten Brücken und auf dem Wasser fahrenden Gondeln leicht an Venedig erinnert.
Trivia: Der Halbkreis soll symbolisch die Umarmung der spanischen Kolonien darstellen – und dessen Öffnung zeigt in Richtung des Guadalquivir, der Startpunkt aller Handelsrouten in die Neue Welt zu Kolonialzeiten.
Nach Abschluss der Ausstellung wurde das Gebäude verschiedenen Zwecken zugeschrieben. Zeitweise als Universität Sevillas, Sitz der Militärregierung nach dem Bürgerkrieg und als Sitz der andalusischen Regierung.
Heute findet das Gebäude nur noch wenig Verwendung. Neben einemHinweisschild für das Militärmuseum und einer Art Einwanderungsbehörde finde ich kaum Hinweise auf Nutzung. Der Eintritt ist kostenlos.
Trivia: Ich wandere hier auf den Spuren von Prinzessin Amidala und Anakin Skywalker. Denn für Star Wars Episode 2 diente der Platz als Drehort für den Königspalast des Planeten Naboo!
Der Metropol Parasol
Ein weiteres Wahrzeichen der Stadt Sevilla ist der städtische Sonnenschirm. Die größtenteils hölzerne Konstruktion inmitten der Altstadt ist gilt als größte Holzkonstruktion der Welt. Da man beim Anblick schnell an Pilze im Wald denkt, ist bei den Einheimischen der Name Las Setas (Die Pilze) eher geläufig. Das Gebäude wurde über einer Markthalle aus dem 19. Jahrhundert errichtet und beherbergt noch Heute einen traditionellen Wochenmarkt. Auf dem Dach findet man auf mehreren Ebenen Plattformen mit einem wunderbaren Blick in alle Richtungen der Stadt. Diesen kann man auch bei einem kalten Getränk in einer der Bars auf den Setas genießen.
Der Eintritt kostet 2€.
Trivia: der deutsche Architekt des Metropol Parasol Jürgen Mayer wurde für sein Werk Mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Red Dot Award.
Der Torre del Oro
Früher mal ein militärischer Wachturm, ist der Torre del Oro mit seiner zwölfeckigen Grundfläche (also ein Dodekadon) heute ein schöner Aussichtsturm direkt am Flussufer des Guadalquivir gelegen. Außerdem befindet sich ein kleines nautisches Museum im Turm. Ein schöner Stop während eines Spaziergangs entlang des Flussufers.
Eintritt lohnt vor allem wegen der Aussicht und kostet 2€.
Weitere Sehenswürdigkeiten
Eigentlich das Zentralarchiv mit der Sammlung aller Dokumente zur spanischen Kolonialgeschichte mit mehr als 40.000 Bänden mit Informationen zur Handelsgeschichte – etwa mit Schiffsbesatzung oder Fracht. Dieser Teil des Gebäudes ist allerdings ausschließlich Forschern und Archivaren zugänglich.
Der öffentliche Teil ist aber nicht weniger interessant! Hier befindet sich aktuell eine ausgesprochen schön gestaltete Ausstellung über die erste Weltumsegelung durch Magellan. Diese begann 1519 in Sevilla und endete nach der Durchquerung des Südamerikanischen Kontinents an den damals bereits bekannten Gewürzinseln nahe der Philippinen mit dem Tod Magellans 1521. Der Eintritt ist frei.
Das Museum der schönen Künste umfasst ausschließlich Werke spanischer Künstler vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert. Neben den Kunstwerken bietet das Gebäude auch schöne Innenhöfe mit Gartenanlagen mit ruhigen Sitzmöglichkeiten, die vor allem einheimische Studenten gern zum Lesen wahrnehmen.
Roland
Gute Infos und Tipps, sind auch gerade darin der Stadt und fahren morgen weitermachen Córdoba
PlacesofJuma
Toller Beitrag Peter! Die Fotos sind auch super geworden. lg Martina