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Die letzten drei Wochen in Argentinien und Chile waren enorm spannend und abwechslungsreich. Ich habe mein Schrittziel für fast den ganzen Januar durch nur zwei Wanderungen in El Chalten abgehakt, habe beobachtet wie unter lautem Donner ein Gletscher kalbt und mir das engelsgleiche gequake einer Pinguinkolonie angehört. Doch alle Abenteuer hatten eins gemein: es war irgendwie immer stürmisch und kalt. Mein Bedarf an einstelligen Temperaturen war gedeckt.

Also steige ich in den Flieger und tausche das raue Wetter am Ende der Welt gegen den Dschungel im Norden Argentiniens ein – auf zu den Iguazu Wasserfällen!

Entlang der Grenze zwischen Argentinien und Brasilien fließt der Fluss Iguazú. Hier liegen auf einer Strecke von fast 2,7 km verteilt zwischen 150 und 300 kleinere sowie größere Wasserfälle, die zusammen die Iguazú Falls bilden. Sie teilen den Fluss dabei in zwei Ebenen, die über 80 m Höhe trennt. Dabei schwankt sowohl die Anzahl der einzelnen Wasserfälle, als auch die Menge des in die Tiefe stürzenden Wassers mit der Jahreszeit und dem damit einhergehenden Niederschlag. Doch aufgrund des ganzjähig verhältnismäßig hohem Wasserstandes halten die Fälle von Iguazu den Weltrekord für das meiste geführte Wasser!

Tipp: Das meiste Wasser führen die Fälle während des südamerikanischen Winters zwischen Dezember und März, daher bieten sich in diesem Zeitraum auch die spektakulärsten Aussichten.

Auf beiden Seiten der Grenze gibt es kleine Städte: Puerto Iguazú in Argentinien bzw. Foz do Iguaçu in Brasilien. Allerdings sind beide Orte für sich genommen kaum einen Besuch Wert und dienen lediglich als gute Ausgangsbasis für den Trip in den Regenwald. Immerhin bieten beide sowohl gute landesweite Busverbindungen, als auch Flughäfen mit günstigen Inlandsflügen an. Und da die Entfernung von meinem vorherigen Stop in Ushuaia bis hierher mit 3.500km Luftlinie etwa der zwischen Lissabon und Minsk entspricht, greife ich gern auf den bequemen Flug zurück.

Trivia: Die Wasserfälle von Iguazu wurden durch das New7Wonders Projekt zu den sieben Weltwundern der Natur gewählt.

Was liegt wo

Meine Unterkunft: Beer Hotel

Bier Hotel – und der Name ist Programm. Denn der Eingangsbereich besteht neben der Rezeption und einem kleinen Restaurant vor allem aus Braukesseln. Schon beim Eintreten steigt mir der wohltuende Duft von Malz und Hopfen in die Nase, es wird gerade für frischen Nachschub gesorgt.

Zwölf verschiedene Biere werden hier im Hotel hergestellt und an der Bar vom Fass gezapft. Die Argentinier lieben ihre Biervielfalt und daher sind hier auch einige Überraschungen auf der Karte zu finden. Denn vom Kölsch über Weißbier bis zum IPA ist wirklich für jeden Geschmack etwas dabei.

O'zapft is!
Und hier wird gerade wieder gezaubert

Die Brasilianische Seite

Am ersten Tag geht es mit dem Bus nach Brasilien. Die Agentur Rio Uruguay bietet stündlich direkte Busverbindungen zwischen Puerto Iguazu und dem Parkeingang in Brasilien an. Der Grenzübergang ist umkompliziert und es gibt lediglich ein paar neue Stempel in meinen Reisepass – ich denke ich brauche demnächst mal wieder einen neuen.

Nach etwas mehr als 1,5h erreiche ich den Parkeingang. Nachdem ich am Ticketautomaten dem Servicepersonal freundlich ¡Hola! zurufe, werde ich direkt als Deutscher Tourist entlarvt. Allem Anschein nach steht das für Hilfsbedürftigkeit, denn fortan übernimmt jemand Anderes das Tippen auf dem Bildschirm für mich.

Mit der Eintrittskarte in der Hand und einem nach dem Ereignis verwirrten Gesichtsausdruck, der sowohl „Oh, wie nett“ als auch „Hä, bitte was sollte das“ aussagen kann, geht’s weiter zur Bushaltestelle. Bushaltestelle? Ja, richtig. Denn aus irgendeinem unerfindlichen Grund liegt der Eingang etwa 10 km vom Eigentlichen Park entfernt.

Wild und ungestüm - die Klippen der Teufelsschlucht

Tipp: An den Ticketschaltern waren zum Zeitpunkt meiner Ankunft bereits lange Warteschlangen. Alternativ dazu gibt es auf der linken Seite Automaten, an denen man sein Ticket ohne Wartezeiten selbst kaufen kann.

Die Brasilianische Seite des Parks besteht im Wesentlichen aus einem 1,5 km langen Weg entlang des Flussufers. Etwa zwei Drittel der Wasserfälle liegen auf der Argentinischen Seite der Grenze. Daher hat man von Brasilien aus den besten Ausblick und kann von den verschiedenen Aussichtsplattformen aus beobachten, wie das Wasser aus dem Regenwald stürzt.

Der Großteil des Weges ist recht leer und es gibt nur wenige andere Touristen die sich mit mir um einen Platz am Geländer streiten. Die Gelegenheit nutze ich gern um ein paar Langzeitbelichtungen der Wasserfälle zu schießen.

Wildlife

Der Fluss Iguazu fließt mitten durch den Regenwald. Und so ist es kaum verwunderlich, dass hier trotz der Touristen auch viele wilde Tiere leben. Oder vielleicht auch gerade aufgrund der Touristen? Denn vor allem die südamerikanischen Nasenbären sind äußerst zutraulich und haben keine Scheu vor dem Menschen. Leider muss ich immer wieder sehen, dass Leute die Tiere füttern, um sich daran erfreuen, wie diese für den nächsten Insta-Post posieren.

Verantwortungslos und sehr gefährlich

Denn durch das Zufüttern ändert man die Essgewohnheiten der Tiere. Sie gewöhnen sich an die Kekse der Touristen und verlieren sowohl das Interesse an ihrer natürlichen Nahrung, als auch ihren Jagdinstinkt. Auf Dauer kann das dazu führen, dass die Tiere nicht mehr eigenständig in der Natur lebensfähig sind und in der Nebensaison ohne Hilfe sterben.

Eine sehr direkte Auswirkung lässt sich schon jetzt beobachten: die Tiere werden aggressiv, wenn sie nicht gefüttert werden. So kommt es immer wieder zu Biss- und Kratzwunden der Parkbesucher.

Der Urwald ist kein Streichelzoo!

Der südamerikanische Nasenbär erschnüffelt seinen nächsten Snack
Sie sind an den Menschen gewöhnt und kommen ihm sehr nahe
Kapuzineraffen Weibchen mit ihrem Nachwuchs auf dem Rücken im Iguazú Nationalpark

Der größte der Wasserfälle des Iguazú ist die sogenannte Teufelsschlucht Garganta del Diablo. Hier fließen Unmengen an Wasser auf 700 m entlang der Klippen auf allen Seiten der Schlucht 82 m in die Tiefe.

Die dabei entstehende Gischt hüllt den gesamten Kessel und alles im näheren Umkreis in einen Dichten Nebel.

Blick in die stürmische Teufelsschlucht - Garganta del Diablo

Das Highlight für die Besucher auf dieser Seite des Parks ist ein Steg, dessen Aussichtsplattform am Ende in die Teufelsschlucht hinein führt. Habe ich mich bisher noch über den überraschend entspannten Spaziergang gefreut, werden die kommenden Minuten zur echten Qual. Denn der Steg ist viel zu schmal für die Massen an Touristen und während ich mich hier mühsam voran kämpfe, sorgt die Gischt für eine herbe Abkühlung. Nach nur wenigen Metern bin ich klitschnass, denn ich habe auf die schützende Einweg-Plastikhülle verzichtet, die wenige Meter zurück verkauft wurde.

Dennoch lohnt sich die Mühe. Denn der Blick in den Schlund ist wirklich beeindruckend, vor allem da die Wasserfälle nach dem Regen der vergangenen Tage besonders viel Wasser führen.

Der Steg in die Teufelsschlucht ist wirklich überfüllt

Rundflug mit dem Helicopter

Mit der Rückkehr von der Teufelsschlucht neigt sich eigentlich auch der Besuch der Brasilianischen Parkseite dem Ende. Doch auf mich wartet noch ein weiteres Highlight: die Wasserfälle per Hubschrauber von oben zu erkunden. Direkt neben dem Besucherzentrum des Parks befindet sich ein kleiner Flughafen von Helisur. Die bringen mich für etwas länger als 10 Minuten in die Luft. Das ist zwar nur ein kurzes Abenteuer, lohnt sich aber in jedem Fall. Denn nur aus der Luft lässt sich wirklich erahnen, welche Dimensionen die Wasserfälle wirklich annehmen und wie sie entlang des Flusses verlaufen.

Außerdem kommt der kurze Flug, währenddessen ich neben dem Piloten vorn sitze, einer Achterbahnfahrt gleich. Jedes Luftloch, jedes kleine Manöver löst einen kurzen Adrenalinschub aus und macht wirklich Spaß!

Blick auf die Teufelsschlucht

Kosten:  360 AR$ für den Bus + 72 Real Eintritt + 430 Real für den Helicopter
Dauer: ca. 8 h in Summe
Hinweis: Der Helicopter fliegt je nach Bedarf ca. alle 30 Minuten und eine Buchung vorab ist nicht notwendig. Es gibt übrigens ausschließlich Fensterplätze!

Die Argentinische Seite

In Brasilien habe ich die meisten Wasserfälle aus der Ferne gesehen und mir einen guten Überblick über dieses Naturwunder machen können. Die Argentinische Seite hingegen bietet zwei Rundwege, die einen vom Parkeingang durch den Dschungel und anschließend direkt oberhalb der Klippen entlang führen: den Lower Circuit und den Upper Circuit.

Außerdem gibt es einen Pfad, der zur Teufelsschlucht führt. Im Gegensatz zu Brasilien steht man hier allerdings oberhalb der Klippen am Beginn der Schlucht. Genau wie in Brasilien wird man hier klitschnass.

Unfreiwilliger Wet T-Shirt Contest an der Teufelsschlucht

Gleich am frühen Morgen gehe ich zur Teufelsschlucht. Denn auch hier kann es schnell voll werden und ich wollte mich nur ungern wieder durch die Menschenmassen zwängen wie am Tag zuvor. Der Weg startet erst mehrere Kilometer vom Parkeingang entfernt, doch es pendelt regelmäßig eine kleine Parkeisenbahn hierher. Von der Bahnhaltestelle bis zur Aussichtsplattform braucht man etwa 20 Minuten. Da die Gischt hier oben einem Monsun gleich kommt, lasse ich meine Kamera lieber im Rucksack und den Blick in die Tiefe und den ohrenbetäubenden, wenn auch angenehmen Lärm der Natur.

Der Weg zur Plattform über der Teufelsschlucht
Viele Königsgeier kreisen über dem Wasser
Ein Kappenblaurabe - er wird aufgrund seiner aufrecht stehenden Haube so genannt

Anschließend fahre ich mit dem Zug wieder zurück zum Besucherzentrum, da die beiden Rundwege von hier beginnen.

Der obere Rundweg dauert etwa eine Stunde und führt entlang der oberen Klippen der Wasserfälle. Um dort hinzukommen muss man zunächst ein gutes Stück durch den Dschungel laufen. Und um ehrlich zu sein, gefällt mir dieser Teil des Weges am besten. Denn auf einem Wasserfall drauf zu stehen ist für mich weniger imposant, als ihn aus etwas Entfernung bestaunen zu können. Im Dschungel allerdings lassen sich zu beiden Seiten des Weges viele Tiere hautnah beobachten. Unzählige Spinnennetze glitzern im Sonnenschein und die Handflächengroßen Spinnen warten auf vorbeifliegende Beute. Kapuzineraffen klettern auf dem Geländer und versuchen, den vorbeilaufenden Touristen lose Gegenstände aus ihren Rucksäcken zu klauen (auf die Kamera aufpassen!). Und sogar ein Kaiman entspannt im flachen Wasser.

Für den unteren Rundweg brauche ich fast zwei Stunden und unzählige Verschnaufpausen. Das liegt am Zusammenspiel aus vielen Treppen, der gnadenlosen Sonne und gefühlten 200% Luftfeuchtigkeit. Dennoch gefällt mir dieser Weg sehr gut, da es hier bessere Aussichten gibt.

Noch nicht ganz getrocknet von meiner Begegnung mit der Gischt der Teufelsschlucht überlege ich, ob es eine Möglichkeit gibt, eine noch nassere Erfahrung in Iguazú zu machen. Und wie ich so auf darüber auf einer der Aussichtsplattformen grübel, sehe ich die Antwort direkt vor mir. Auf Schlauchbooten werden wagemutige Touristen im unteren Teil des Flusses nicht nur nah an die Wasserfälle heran gefahren. Sie fahren sogar direkt unter das hinabstürzende Wasser!

Ist das schon nah genug?
Nein, es geht noch näher!

Argentinien oder Brasilien?

Ich finde beide Seiten bieten ein sehr unterschiedliches Bild der Iguazú Wasserfälle und haben jeweils ihre Vor- und Nachteile. Mir hat die Aussicht in Brasilien deutlich besser gefallen und es gibt ausschließlich hier die Möglichkeit, mit dem Helicopter in die Lüfte zu steigen und sich das Spektakel von oben anzuschauen. Allerdings ist der eine Wanderweg sehr kurz und daher kommt es an den Plattformen, vor allem in der Teufelsschlucht, schnell zu unangenehmen Staus.

In Argentinien sind die Wanderwege deutlich länger und führen durch schöneres Terrain. Immer wieder gibt es Möglichkeiten, mitten im Regenwald eine Pause einzulegen und das Wildlife zu beobachten. Allerdings finde ich, dass die Wasserfälle von dieser Seite aus weniger spektakulär wirken.

Im Besten plant man zwei Tage ein und kann so beide Länder besuchen!

Kosten:  360 AR$ für den Bus + 800 AR$ Eintritt
Dauer: ca. 6 h in Summe

Links: die Brasilianische Seite mit der Teufelsschlucht im Hintergrund. Rechts: Die Wasserfälle des oberen Rundwegs auf der Argentinischen Seite

Comments:

  • Bennüüh Ehh.

    27. Februar 2020

    Sehr schön geschrieben Pete und sehr sehr naice shots! Klingt wirklich nach einer großartigen Erfahrung und nach einer schönen Abkühlung 😉

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