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Wenn man bei Instagram nach Patagonien sucht, sind die Suchergebnisse förmlich überladen mit einem bestimmten Motiv und der freudigen Nachricht, es bis hierhin geschafft zu haben: die Torres del Paine des gleichnamigen Nationalparks.

Neben den markanten Granittürmen am östlichen Ende hat der Park auch noch viel mehr zu bieten. Im Westen erstreckt sich ein weiterer Ausläufer des südlichen patagonischen Eisfeldes – der Grey Gletscher. Und bereits von weitem sichtbar sind die sogenannten Hörner des Paine Massivs, die Cuernos.

Der Nationalpark ist ein Mekka für Wanderer. Dabei können die Trips je nach Zeitfenster und körperlicher Verfassung skaliert werden: von anspruchsvollen Tagesausflügen zum Grey Gletscher oder den Torres bis hin zur mehrwöchigen Wandertour einmal um das Bergmassiv herum.

Der W-Trek

Ich entscheide mich für den berühmten W-Trek. Das W ist sozusagen das ERNSTL der Routen durch den Park und führt einen innerhalb von fünf Tagen durch die Highlights der atemberaubenden Landschaft von Chiles wildem Süden.

Während man den Park von West nach Ost (oder wahlweise auch andersherum) durchquert, läuft man in drei Sackgassen geradewegs nach Norden und wieder zurück: den Grey Gletscher im Westen, das Gletschertal zum Mirador Frances im Zentrum und zu den Torres im Osten. Lässt man dabei sein GPS laufen sieht man, dass man sich in der Form eines W durch den Park bewegt hat.

Wichtig: vorher planen

Die Hauptsaison ist aufgrund der schwierigen klimatischen Bedingungen kurz und zieht sich im Wesentlichen von Ende Oktober bis April. Entsprechend ist alles was man für seinen Trip braucht auch schnell ausverkauft, Unterkünfte im Park teilweise sogar Monate vorm gewünschten Reisezeitpunkt. Es ist ein wenig wie die Anmeldung für Sportkurse zu Uni-Zeiten. Kaum ist der Kurs online, sind auch schon wieder alle Plätze reserviert.

In sofern es sich mit der Reise vereinbaren lässt, sollte man sich hier also vorher auf eine konkrete Route festlegen und entsprechend buchen.

Der Grey Gletscher

Online buchen

Bustickets gibt es hier

Die Unterkünfte mit Verpflegung werden von drei Firmen verwaltet.
Im Westen: Vertice Patagonia (hier buchen)
Im Osten: Fantastico Sur (hier buchen)

Zusätzlich gibt es noch Campingplätze die durch die chilenische Forstgesellschaft CONAF. Diese sind zwar kostenlos und entsprechend ohne Infrastruktur, müssen aber dennoch online reserviert werden (das geht hier).

Der Weg zum Grey Gletscher

Die Cuernos: das große und kleine Horn von der Fähre aus gesehen

Los geht’s am frühen morgen in Puerto Natales. Um 6:30h fährt mein Bus zum Park. Die Fahrt endet nach etwa 90 Minuten in Pudeto – inkl. eines kurzen Stops zum Erwerb der unverschämt teuren Eintrittstickets. Von dort geht eine Fähre über den Lago Pehoé bis zum Refugio Paine Grande, dem Startpunkt des W-Trek.

Kaum angekommen gestikuliert unser Busfahrer wild in der Gegend herum und versucht uns voller Freude und mit gebrochenem Englisch mitzuteilen, dass er etwas entdeckt hat. Etwas, das man sicherlich auch im wilden Patagonien nicht alle Tage zu Gesicht bekommt: eine Gruppe Pumas.

Mein Sitznachbar im Bus wird nervös. Er hat eine sehr ambitionierte Route vor sich, die er allein bewältigen will. Plötzlich wird ihm ganz mulmig vor Angst, in einem unaufmerksamen Moment von Pumas gefressen zu werden. Und sagen wir es mal so: ich habe ihn nach der Busfahrt nie wieder gesehen – guten Appetit!

Ein Puma am Wegesrand. Größer als ich gedacht hätte

Wir haben noch etwas Zeit, bis die Fähre ablegt und laufen zu einem kleinen Wasserfall in der Nähe des Docks. Für die kommenden Tage gibt es eine Sturmwarnung und bereits Heute ist es wahnsinnig windig. So sehr, dass wir abwechselnd mit dem Rücken voran oder weit nach vorn gebeugt Strecke machen. Es ist nicht weit bis zum Aussichtspunkt, doch die Strecke fühlt sich endlos an und stellt auch für die noch kommenden 12km bis zur heutigen Unterkunft keine rosigen Aussichten dar. Doch der Blick auf die Hörner des Paine Grande Massivs schwört uns auf die wilde Landschaft der kommenden Tage ein.

Der Blick auf die Cuernos de Paine

Anschließend geht es mit der Fähre über den Lago Pehoé. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl an Überfahrten und somit Plätzen an Board und Tickets können nicht im Voraus gebucht werden. Daher sollte man bereits zeitig am Ableger warten – denn sonst muss man entweder bis zur nächsten Fähre warten und wird den Wandertag entweder später oder überhaupt nicht mehr beginnen. Wir stehen weit vorn, doch etwa die Hälfte der Schlange bleibt zurück.

Wasserfall bei der Fähre über den Lago Pehoé

Braune Wiesen, nackter Fels und und Türkise Seen malen das triste Landschaftsbild. Doch besonders hervorstechend sind die vielen toten Bäume entlang der Wege. Das war allerdings nicht immer so. In den Jahren 2005 und 2011 wurde ein großer Teil – jeweils etwa 15.000 Hektar – durch Feuer zerstört.

Diese Katastrophe für die einzigartige und ursprüngliche Natur Südchiles ist dabei das Ergebnis von Fahrlässigkeit und Arroganz einzelner Touristen, die sich nicht an die Parkregeln halten wollen. So hat ein israelischer Wanderer auf halber Strecke zum Campingplatz sein Geschäft am Wegesrand verrichtet und anschließend versucht, das benutzte Klopapier zu verbrennen. Und ja, ich musste auch kurz lachen. Und war dann wieder entsetzt.

Tipp: Viele wussten ja gar nicht, dass Regeln nicht ausschließlich dafür gedacht sind, Touristen einzuschränken und zu nerven. Mitunter wären viele Regeln überhaupt nicht notwendig, wenn der Mensch sich bewusster und mit mehr Rücksicht sowie Respekt in seiner Umwelt bewegen würde.

Das Wetter könnte kaum ungemütlicher sein

Die Wanderung ist nicht sehr anspruchsvoll, es gibt nur wenige Höhenmeter zu überwinden. Doch der starke Wind und die anhaltenden Regenschauer verwandeln das Terrain mitunter in einen matschigen Parcours – auch der ein oder andere Bachlauf muss passiert werden. Und während ich mich über meine knöchelhohen, wasserdichten Wanderschuhe freue, klagen andere entlang des Weges in ihren Turnschuhen schon bald über nasse Füße.

Ein eindeutiges Zeichen, dass wir dem Gletscher Grey und somit dem Ziel der heutigen Etappe näher kommen sind die immer größerer werdenden Eisschollen die ruhig auf dem Lago Grey nach Süden treiben.

Trivia: während sich viele Ausläufer des südlichen patagonischen Eisfeldes wie etwa der Perito Moreno sich einer konstanten Größe erfreuen, leidet der Grey Gletscher unter den sich verändernden klimatischen Bedingungen. Allein 2017 brach ein über 350m langes Stück an der Gletscherzunge ab – mehr als der Zulauf neuer Eismasse kompensieren könnte.

Mehr über den Gletscher Grey als Zeugen des Klimawandels gibt es in der Terra X Folge „Abenteuer Patagonien“ hier zu sehen.

Brucheis des Gletschers fließt den See hinunter

Weniger Kilometer vor dem Ziel gibt es einen Felsvorsprung, der nahezu geschaffen ist für dramatische Fotos mit Blick auf den in der Ferne im Wolkenmeer verschwindenden Gletscher. Das Ziel ist in Sicht und das gibt einen Schub Motivation, den Witterungsbedingungen noch etwas länger zu trotzen.

Wir kommen dem Grey Gletscher näher

Endlich am Refugio und somit der heutigen Übernachtung angekommen, schmeißen wir nur kurz unser Gepäck ab und machen uns für einen letzten, kurzen Spaziergang bereit. Nur ein paar hundert Meter weiter verlassen wir den Wald, in dem die Unterkunft gebaut ist und kommen zu einer kleinen Bucht des Lago Grey, von wo aus man dem Gletscher am nächsten kommt.

Bis zum Strand reichte der Gletscher noch bis 1950

Ein schöner und ruhiger Ort, um es sich etwas gemütlich zu machen, den Tag ausklingen zu lassen und sich von den Strapazen etwas auszuruhen.

Leider merke ich im Moment der Ruhe, dass mein Fuß schmerzt. Es fühlt sich nicht nach Muskelkater an, es ist etwas anderes – ein beunruhigender Gedanke. Gut, dass die Arbeit für diesen Tag getan ist und ich nach dem Abendbrot und einem Feierabendbier mit dem Rest der Reisegruppe Wintersturm zeitig ins Bett gehe.

Hoffentlich bringt der neue Morgen gute Nachrichten.

Am Gletscher angekommen. Vor wenigen Jahren hätte ich noch auf Eis gestanden

Wie bei jedem der Refugios gibt es auch hier die Möglichkeit entweder in einem Mehrbettzimmer oder auf dem Zeltplatz zu übernachten. Außerdem kann man eine öffentliche Küche nutzen um mitgebrachtes Essen zuzubereiten oder mit Bestellung vorab das Restaurant der Unterkunft nutzen.

Ich gönne mir ein wenig Luxus und habe mich im Vorfeld schon für die bequemen Betten und heißen Duschen und des Refugios entschieden. Auch das vier Gänge Menü des Restaurants hat mich überzeugt. Die Infrastruktur ist gut ausgebaut und es fehlt einem an Nichts. Wirklich abenteuerlich sind in diesem Teil Chiles nur die Preise.

Trivia: Als ich in das Restaurant kam, standen Karaffen mit einer trüben Flüssigkeit auf den Tischen. Zuerst dachte ich an Limonade und freute mich schon auf einen erfrischenden Drink. Doch tatsächlich handelt es sich hierbei um frisches Gletscherwasser, das aufgrund des hohen Mineralstoffgehaltes zwar unklar aussieht aber eben auch sehr gesund ist.

Endlich angekommen: das Refugio Grey

Neuer Morgen, neues.. Leid. Als ich mich zum Frühstück aus dem Bett quäle und in meine FlipFlops steigen will, schreie ich innerlich laut auf. Die Schmerzen am Fuß sind leider viel stärker geworden und mein Gelenk ist stark geschwollen (ein Foto davon erspare ich dem Leser aus .. Gründen). Mist – denn eigentlich erwarten noch weitere vier Tage mit jeweils etwa 15-20km Wanderung durch das felsige Terrain eines der spektakulärsten Nationalparks Südamerikas.

Doch das werde ich mit der Verletzung nicht schaffen. Traurigen Herzens muss ich mich dazu entscheiden, mein Abenteuer an dieser Steller zu beenden. Die geplante fünftägige Wanderung nach nur einem Tag abzubrechen. Den Park zu verlassen, bevor ich am eigentlichen Highlight, den Torres, angekommen bin.

Auch finanziell ein Fiasko: denn für die folgenden Nächte sind Unterkünfte und Verpflegung bereits gebucht und bezahlt – ohne Möglichkeit einer kurzfristigen Stornierung. Das ist bitter und fällt mir nicht leicht, aber Gesundheit geht nunmal vor.

Doch da gibt es noch ein Problem: Ich befinde mich am Ende einer der Sackgassen des W-Treks und von hieraus gibt keine andere Möglichkeit, als den ganzen Weg Wohl über Übel zu Fuß zurück zum Ausgangspunkt zu gehen. Ich bin aber froh, dass meine Kompagnons den gleichen weg mit mir zurück zum Refugio Paine Grande laufen müssen, bevor es für sie weiter zu den Torres geht. So ist wenigstens jemand dabei, falls ich nicht mehr selbst voran kommen sollte. Also gut gefrühstückt, die Schuhe besonders eng geschnürt und los geht’s.

„Safettie first“

-T.B.

Doch wir gehen nicht auf direktem Wege zurück. Ein kleiner Umweg führt uns noch zu einem Aussichtspunkt ein Stück weiter entlang der Flanke des Gletschers. Leider ist das Wetter über Nacht noch schlechter geworden, es regnet in Strömen und der starke Wind peitscht uns das Wasser frontal ins Gesicht. Über zwei Hängebrücken geht es zum angepeilten Aussichtspunkt. Bei den wackeligen Konstruktionen mit dünnen Holzbrettern hatte nicht nur ich mit der Höhenangst zu kämpfen.

So unschön das Wetter ist, so dramatisch wirkt die ganze Szenerie. Und eigentlich bin ich sehr froh darüber. Denn genau so habe ich mir diesen Teil der Welt vorgestellt.

Die zweite Hängebrücke vor dem Aussichtspunkt. Genau das richtige für meine Höhenangst
Ab hier nur noch Eis. An den Bäumen lässt sich die Windrichtung erkennen

Verweilen will bei dem Wetter keiner lange am Ausblick und so machen wir uns auf den Rückweg. Von hier aus sind es 13km und dank der Anstrengung vergesse ich auch kurz den Schmerz und kann den Tag genießen. Zwischendurch kommt auch die Sonne immer mal für wenige Sekunden raus und für einen kurzen Moment trocknet sogar die mitlerweile durchnässte Hose.

Entgegenkommende Touristen mit erschöpften Gesichtern fragen, ob es noch weit sei. „Nein, nein. Gleich geschafft“ lüge ich sie an – kleiner Scherz unter Wanderern.

Hin und wieder lassen sich auch wilde Tiere blicken. Zwar kein weiterer Puma auf der Suche nach verwundeten Wanderern als Beute, aber immerhin kreisen Andenkondore über unseren Köpfen. Und auf der Wiese stehen Guanakos, die ursprünglichste Art der domestizierten Neuweltkamele.

Trivia: zu den Neuweltkamelen zählen außerdem Vikunjas, deren feines Fell besonders warmhaltende (und teure) Wolle hervorbringt, und die bekannten Lamas sowie Alpakas.

Ein Andenkondor
Ein Guanako - die älteste Art der Neuweltkamele

Im Refugio angekommen überprüfe ich noch mal den Zustand von meinem Fuß. Leider alles unverändert. Wir genießen die Abendstunden mit ein paar Abschiedsbieren und dem dramatischen Anblick über die Berggipfel, der sich während des vorbeiziehenden Sturms bietet.

Am nächsten Morgen muss ich zunächst erneut die Fähre über den Lago Pehoé nehmen und erwische dort einen Bus der mich zum Busbahnhof nach Puerto Natales bringt. Dort habe ich Glück und bekomme kurzerhand ein Bus direkt nach Calafate, ohne  eine weitere Nacht in Chile zu stranden. In Calafate angekommen checke ich in mein altes Hostel ein, da ich mein restliches Gepäck hier gelassen habe. Die kommenden Tage verbringe ich auf der Couch und hoffe, dass ich für Ushuaia wieder fit sein werde!

Der Paine Grande und die Cuernos vom Steg der Fähre aus gesehen

Kosten und Kritik

Ein wirklich wichtiges Thema sind die Kosten für diesen Trip. Denn die sind wirklich unverschämt hoch und teilweise kaum mehr nachvollziehbar. Das beginnt beim Parkeintritt und der obligatorischen Fähre. Zwar hätte man bei den Übernachtungen auch die Möglichkeit, sein eigenes Zelt auf den offiziellen Plätzen aufzuschlagen. Und auch selbstmitgebrachtes Essen kann helfen, das Portemonnaie zu schonen. Doch wer entspannt Wandern möchte ohne eigenes Proviant für eine knappe Woche mitzuschleppen, der muss tief in die Taschen greifen.

„Ich bin zu alt für diesen Scheiß“

-Detective Murtaugh

Hier ein kleiner Überblick meiner Ausgaben

Eintritt für den Park: 35.000 CLP ( 41€ )
Fähre über den Lago Pehoé: 23.000 CLP ( 27€ )
Übernachtung Grey inkl. Halbpension: 86.000 CLP ( 100€ )
Übernachtung Paine Grande inkl. Halbpension: 98.000 CLP ( 115€ )
Übernachtung Cuernos inkl. Halbpension: 172 US$ ( 160€ ) – nicht genutzt
Übernachtung Chileno (Zelt) inkl. Halbpension: 128 US$ ( 115€ ) – nicht genutzt

Also in Summe 558€ nur für den Besuch des Parks ohne An- und Abreise. Auch wenn ich  nun gewillt war den Preis zu bezahlen, habe ich hiermit meine Bauchschmerzen. Der Park erfreut sich eines riesigen internationalen Hypes und zieht mehr Touristen an, als der aufnehmen kann. Doch können sich viele interessierte Menschen diesen Traum aus finanziellen Gründen kaum leisten und mit solch einer unverschämten Preispolitik grenzt man systematisch bestimmte Bevölkerungsschichten aus.

Sicherlich wird ein Teil des Geldes für gute Zwecke verwendet und zum Beispiel dem Schutz der Arten in dieser einzigartigen Region gewidmet. Das ist wichtig und hilft, den Park auch für kommende Generationen zu erhalten.

Mein Trip nach Patagonien war aufregend, abenteuerlich, abwechslungsreich und voller Alliterationen. Doch den Torres del Paine Nationalpark verlasse ich mit gemischten Gefühlen und denke, dass die Kosten für den Ausflug in keiner Relation zu dem Ausflug stehen.